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Ein Land im Korruptionssumpf

28. März 2002

– Missbrauch öffentlicher Macht zu privatem Nutzen erreicht in der Slowakei Ausmaße wie in einer Bananenrepublik

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Köln, 28.3.2002, TASR, RADIO SLOWAKEI, PRACA, NOVY CAS

TASR, slowak., 26.3.2002

Korruption in der öffentlichen Verwaltung stand am Dienstag (26.3.) im Mittelpunkt eines zweitägigen Seminars, das unter dem Motto "Anti-Korruptions-Instrumente" die Slowakische Sektion von Transparency International (TI) in Zusammenarbeit mit der slowakischen Hauptstadt in Preßburg veranstaltete. Schwerpunkte der heutigen Vortragsreihe waren: Erscheinungsbild der Bestechung in der Gesellschaft, aktueller Stand der Bestechlichkeit in der Slowakei, Ursachen und Folgen der Korruption, die in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens außerordentlich schwer zu entdecken bzw. nachzuweisen ist.

Welche Ausmaße die Korruption mittlerweile in der Slowakei tatsächlich angenommen hat, lässt sich nur grob einschätzen, denn die Slowaken haben es gelernt, mit der Bestechlichkeit zu leben und die Korruption als Bestandteil der slowakischen Gesellschaft wahrzunehmen.

Nach Expertenmeinung ist es erstaunlich, dass keinerlei Konsequenzen gezogen werden, obwohl sich viele sogar öffentlich zur Bestechung bekennen. Dies zeuge davon, dass sich die Slowaken inzwischen an das Phänomen "Korruption und Bestechung" gewöhnt haben. (...) (ykk)

RADIO SLOWAKEI, deutsch, 26.3.2002

Ein Abgeordneter ist Mitinhaber von mehreren Firmen, die mit einem staatlichen Großkonzern Geschäfte machen. Seine Reaktion auf Kritik in den Medien lautet: "Ich muss mich versorgen, solange ich noch im Parlament bin. Denn wenn diese Legislaturperiode zu Ende geht, will ich nicht auf das Arbeitsamt angewiesen sein." Ein Ex-Minister lässt sich eine 15 Millionen Kronen teure Luxusvilla bauen. (15 Mio. Slowakische Kronen entsprechen etwa 351.000 Euro – MD). Ein Teil des Geldes dafür hat er angeblich im Lotto gewonnen und den Rest von einem Freund günstig geliehen. Das ist (keine Geschichte aus einer exotischen Bananenrepublik, sondern die knallharte – MD) Realität in der Slowakei. (...) (ykk)

PRACA, slowak., 26.3.2002

"Lassen sich die Politiker bestechen?", wollten wir in Bratislava einfach auf der Straße herausfinden. "Ja natürlich, das tun sie!", sagte uns ohne zu zögern ein älterer Mann. "Ist eine Bonbonniere oder eine Flasche Wein bzw. Whiskey auch Bestechung?", hakten wir nach. "Nein. Das gehört sich heute so. Als Ausdruck von Anständigkeit, zum Beispiel beim Arztbesuch. Aber Politiker, die lassen sich in großem Stil schmieren. Sie kassieren riesige Schmiergelder. Insbesondere dann, wenn sie darüber entscheiden, wer beim Verkauf dieser oder jener Fabrik den Zuschlag erhält. Ich mag den Fico (seit geraumer Zeit der beliebteste Politiker im Lande, Parteivorsitzender der außenparlamentarischen Partei Smer/Richtung – MD) zwar nicht, aber er hat es auf den Punkt gebracht (Anspielung auf Ficos Wahlslogan "Wie unter Meciar geklaut wurde, so wird auch unter Dzurinda geklaut." – MD). (...) (ykk)

PRACA, slowak., 26.3.2002

(...) Es ist gut durchdacht: weder Meciar noch Dzurinda werden direkt beschuldigt, dass sie Diebe sind oder waren. Gleichzeitig werden jedoch beiden Diebstähle zur Last gelegt, bei denen es keinesfalls um Peanuts, sondern um richtig großes Geld geht. Dabei handelt es sich offensichtlich um Schmiergelder, die an die politischen Parteien bzw. ihre Vertreter fließen. Eine Goldgrube dafür ist die Privatisierung von großen, strategisch wichtigen slowakischen Betrieben.

Wie sonst könnten die neuen Privat-Paläste der oberen Zehntausend wie Pilze aus der Erde schießen? Die Festungen von Rezes (Ex-Verkehrsminister) und von Smerek in der Slowakei und in Spanien, das Haus von Martinka in Wien, die neuen Luxusdomizile, Farmen, Pensionen, Villen und mehrere Millionen teure Eigentumswohnungen. All diese neuen Nester der Neureichen - in deren Besitz sind nicht nur Meciar (Ex-Premier), Lexa (Ex-Geheimdienstchef), Poor, Macuska, Baco, Baxon, die alten und die neuen Parteichefs der slowakischen Nationalisten, sondern auch Vertreter der Regierung Dzurinda, die solch hohe "Ersparnisse" wohl kaum aus ihren Gehältern als Staatsdiener erzielen konnten.

Es ist kein Geheimnis, über welches Eigentum der Ex-Abgeordnete Duracka, die Ex-Minister Palacka und Kanis sowie der Ex-Vizepremier Hamzik verfügen. Wie sie zu ihrem Besitz gelangten, bleibt offen. Nur unter dem seitens der Medien ausgeübten Druck tritt überhaupt ein Politiker zurück und zieht, obwohl korrupt bzw. nicht frei von Vorwürfen, wieder ins Parlament ein. Und dann regt sich niemand mehr über die Kluft zwischen seinen Einnahmen und Ausgaben auf. Auch dieser Fall des Interessenkonflikts wird wie viele andere auch schnell vergessen. (...)

Ficos Wahlspruch "Wie unter Meciar geklaut wurde, so wird auch unter Dzurinda geklaut" wurde inzwischen auf den Plakaten mit einem volkstümlichen Zusatz aufgepeppt: "und es wird auch unter Fico weiter geklaut werden."

Dzurindas Worte vom März 2000, seine Regierung werde die Verfassung, das Gesetz und die natürliche Logik der Dinge achten, sind bis heute leere Worte geblieben.

Ein Beispiel für alle: die Bürger diese Landes wissen immer noch nicht, woher die Gelder stammen, mit denen Vladimir Meciar seine Elektra erworben hat (eine Pension mit einem geschätzten Wert von 40 Millionen Slowakischen Kronen, etwa 940.000 Euro – MD).

Mit Elektra hängt wahrscheinlich auch eine Meldung des schweizerischen Wirtschaftsmagazins "Cash" zusammen. Demzufolge soll sich Meciar an der Geldwäsche in der Schweiz beteiligt haben. (...) (ykk)

NOVY CAS, slowak., 25.3.2002

In der Slowakei gab es auch in der Vergangenheit viele Korruptionsaffären um die Bereicherung von Politikern. Als Roman Kovac aus der Partei Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) ausgetreten ist, beschuldigte ihn Parteichef Vladimir Meciar, er hätte Schmiergelder in Höhe von 5 Millionen US-Dollar angenommen.

Dem ehemaligen Chef des Nationalen Besitzfonds Stefan Gavornik wurde vorgeworfen, er hätte sich beim Verkauf von zwei staatlichen Betrieben um 17 Millionen Kronen bereichert. (...)

Ein hoher Beamte im Regierungsamt, Tibor Toth, gab im Sommer 1999 bekannt, ein Chrisdemokrat habe ihm Bestechungsgeld in Höhe von 120 Millionen Kronen angeboten. (...)

Dzurindas Minister Jozef Macejko hat bei der Polizei angezeigt, dass ihm ein Unbekannter vor dem Parlamentsgebäude ein Angebot von 3 Millionen Kronen gemacht haben soll. Interessent dabei ist, dass Macejko diesen Vorfall erst nach drei Monaten gemeldet hat. Die Polizei hat die Ermittlungen eingestellt. (ykk)