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Ein Leben für Liberia

13. November 2009

Die Biografie "Mein Leben für Liberia", erscheint am 11. November 2009. DW-WORLD.DE hat mit Ellen Johnson-Sirleaf, der Autorin und Präsidentin Liberias gesprochen.

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(Foto: AP)
Die erste Präsidentin Liberias: Ellen Johnson-SirleafBild: AP

DW-WORLD.DE: Seit drei Jahren regieren Sie Liberia. Das Bruttoinlandsprodukt steigt, ein Großteil der internationalen Schulden wurde erlassen, Unternehmen investieren wieder in Stahl. Haben Sie Ihr Ziel erreicht?

Ellen Johnson Sirleaf: Unser Land hat innerhalb von kürzester Zeit enorme Fortschritte gemacht. Trotzdem haben wir unser Ziel noch nicht erreicht. Durch die Weltwirtschaftskrise haben sich die Verhandlungen mit unseren ausländischen Vertragspartnern verzögert. 2009 hatten wir mit Gesprächen begonnen, jetzt verzögert sich alles um weitere sechs Monate. Wir hatten auch gehofft, dass wir bis Ende 2009 nicht mehr zu den am höchsten verschuldeten Ländern der Welt zählen. Dieses Ziel wird sich nun auf 2010 verschieben.


Diktator Charles Taylor hinterließ ihnen Liberia nach 14 Jahren Bürgerkrieg in einem katastrophalen Zustand. Welches Problem gingen Sie zuerst an?

Unser Schwerpunkt lag zunächst auf der Schulbildung. Kinder sollten den Wert von Bildung wieder schätzen lernen, und das von der ersten Grundschulklasse an. Wir haben zudem eine Pflicht-Hauptschulbildung eingeführt und alle Schulgelder in öffentlichen Hauptschulen abgeschafft. Das Resultat ist, dass bis heute 40 Prozent mehr Kinder die Schule besuchen als früher, darunter mehrheitlich Mädchen.


In Den Haag steht der ehemalige Präsident Charles Taylor wegen Verbrechen gegen die Menschheit vor Gericht. Wie viele Anhänger hat er noch heute in Liberia?

Es ist schwer, die Anzahl von Taylors Anhängern auszumachen. Ich glaube, dass es immer weniger werden, da das Volk merkt, dass die neue Regierung das Land wieder aufbaut.

Ein Team von weiblichen Ministern sitzt in Schlüsselpositionen. Warum?

Ich glaube, dass Frauen mehr Engagement und Integrität in diesem Beruf mitbringen. Zudem haben sie eine größere Sensibilität, wenn es um das Wohlergehen des Einzelnen geht.

Seit Sie Präsidentin Liberias sind wurde Ihre Familie oft bedroht. Haben Sie Angst um Ihr Leben?

Es gab tatsächlich Zeiten, in denen ich Angst um mein Leben hatte. Aber diese Angst habe ich schon lange verloren. Ich verlasse mich auf meinen presbyterianischen Glauben, der mir Kraft gibt, meine Ziele zu verfolgen.

Nur 30 Prozent der Menschen in Liberia können lesen und schreiben. Welche Auswirkungen hat das auf das Land?

Zwei Jahrzehnte lang wurde Bildung stark vernachlässigt und das hat große Spuren hinterlassen. Eine traurige Tatsache ist, dass die ältere Generation heute besser ausgebildet und erfahrener ist als die jüngere. Das hat enorme Auswirkungen auf die nationalen Kapazitäten, die auf kurze Sicht nur durch die Rückkehr von Staatsangehörigen, die noch im Ausland leben oder technische Hilfe bewältigt werden kann.

Wie viel verdienen Sie als Präsidentin?

Circa 7800 Dollar pro Monat. Ich genieße noch weitere Vorteile wie Fahrzeuge, Fahrer, etc., aber ich lebe im eigenen Haus, mir wird also keine Bleibe von der Regierung gestellt.

Was verdient ein Liberianer im Schnitt?


Das niedrigste Beamtengehalt beträgt 99 Dollar pro Monat.


Protestiert die Bevölkerung gegen Ihre verhältnismäßig hohe Bezahlung?


Es gibt kaum Protest gegen mein Gehalt, weil die Menschen wissen, dass unser System auf Großfamilien basiert. Ich verteile einen Großteil meines Gehalts an Verwandte und die nähere Familie.

Wie stehen Sie generell zu ausländischen Hilfsprogrammen?

Ich bin nicht der landläufigen Meinung, dass Entwicklungshilfe Afrika geschadet hat. Trotz einiger Beispiele in der Vergangenheit, in denen Diktatoren sich bereichert haben oder Korruption betrieben wurde. Der Schlüssel liegt in der richtigen Verteilung der Gelder. Botswana und Mosambik sind gute, wirtschaftlich leistungsfähige Demokratien geworden durch Hilfsgelder. Liberia hätte ohne finanzielle Unterstützung kaum solche enormen Fortschritte gemacht. Der Kampf gegen HIV/AIDS, Malaria und andere Krankheiten in Afrika wäre nicht von solchen Erfolgen gekrönt, wenn es keine ausländischen Beihilfen gegeben hätte. Entwicklungshilfe war nicht immer erfolgreich, aber Afrika hätte sich ohne diese Hilfe noch viel schlechter entwickelt.

Wird Präsident Barack Obama wie versprochen sein Augenmerk auf Liberia und ganz Afrika legen?


Präsident Obama hat seine Ziele in Afrika klar formuliert - das heißt, die USA werde Ländern, die Freiheit und Demokratie fördern und ihre Ressourcen sinnvoll und transparent verwalten, unterstützen. Ich glaube daran, dass es Obama ernst damit meint, die globalen Beziehungen verändern zu wollen. Seine bisherige Arbeit zeugt von seinem Vertrauen in das Land.

In wieweit hat Ihre Wahl als erste weibliche Präsidentin in Afrika Frauen auf dem ganzen Kontinent geholfen?

Meine Wahl hat Frauen in Liberia und ganz Afrika motiviert. Schon jetzt bereiten sie sich in allen Ländern darauf vor, um Führungsposten zu konkurrieren. Selbst auf höchster politischer Ebene. Ich bin zuversichtlich, dass wir in zehn Jahren noch mehr Durchbrüche erleben werden. Es wird ein oder zwei weitere Präsidentinnen geben.


Ist die Vorstellung, irgendwann Zeit für sich selbst zu haben, beängstigend für eine Person, die sich pausenlos um ihr Land kümmert?


Ja, ich würde mich furchtbar langweilen.

Das Interview führte Andin Tegen

Redaktion: Michaela Paul