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Ein Mann auf Europareise

13. März 2002

Der Chef der afghanischen Übergangsregierung, Hamid Karzai, hält sich zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Deutschland auf. Ein Porträt des Politikers, der ein tief zerrüttetes Land einen und wieder aufbauen muss.

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Bild: AP

Seit dem 22. Dezember 2001 ist Hamid Karzai Chef der afghanischen Übergangsregierung in Kabul. Seine Aufgabe ist es, in einem zerstrittenen Afghanistan nach mehr als 22 Jahre wieder eine politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung wiederaufzubauen. Das hört sich fast unmöglich an, auch wenn ihm dennoch gute Chancen eingeräumt werden. Denn: Als Spross einer paschtunischen Politikerfamilie, ehemaliger Mudschahedin-Kämpfer gegen die sowjetische Besatzung und späterer Sympathisant der Nordallianz gegen die Taliban gilt der Mitte Vierziger in jeder der afghanischen Interessengruppen als akzeptabler Gesprächspartner.

Politiker mit familiärer Tradition

Karsai entstammt einer einflussreichen königstreuen Paschtunen-Familie aus Kandahar im Süden Afghanistans. Sein Großvater war bis zum Sturz Sahir Schahs Ratspräsident. Vater Abdul Ahad Karsai arbeitete als Diplomat. Sohn Hamid ging in der Hauptstadt Kabul zur Schule. Später studierte er in Indien und arbeitete in den USA. 1982 schloss er sich dem Mudschahedin-Kampf gegen die sowjetischen Truppen an und leitete von Peshawar in Pakistan aus Militäraktionen der "Afghanischen Nationalen Befreiungsfront" (ANLF). Nach dem Fall der pro-sowjetischen Regierung 1992 wurde er Vize-Außenminister Afghanistans.

Kampf gegen die Taliban

Als 1996 die radikalislamischen Taliban Kabul eroberten, schien Karsai zunächst eine Zusammenarbeit mit den paschtunischen Islamisten zu erwägen. Angesichts ihres brutalen Regimes änderte er jedoch seine Meinung. Ein Angebot als afghanischer UN-Botschafter schlug er mit der Begründung aus, die Taliban seien "ausländische Terroristen" und Marionetten des pakistanischen Geheimdienstes. Nachdem vermutlich Taliban 1999 seinen Vater ermordeten, verschrieb sich Karsai in seinem Exil in Quetta endgültig dem Kampf gegen die Miliz. Im Oktober kam er nur knapp mit dem Leben davon, als er versuchte, im Süden Afghanistans einen Aufstand gegen die Taliban zu organisieren. Zuletzt kämpfte er nördlich von Kandahar gegen die verbleibenden Stellungen der Fundamentalisten.

Erste Bewährungsproben bestanden

Als Interims-Regierungschef hat Karsai seit dem 22. Dezember 2001 eine Mammutaufgabe aufgenommen. Bislang hat sich Karsai jedoch schon an verschiedenen Verhandlungsfronten bewährt. Seit seiner Ernennung auf der Bonner Konferenz löscht er unermüdlich Brände in aufflackernden Konfliktherden. (im)