1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

'Es muss geschafft werden'

Das Interview führte Christina Bergmann24. September 2008

Im Interview mit der Deutschen Welle spricht Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul über die größten Probleme und die wichtigsten Aufgaben bei der Umsetzung der Millenniumziele der Vereinten Nationen.

https://p.dw.com/p/FOBj
Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (Quelle: AP)
Neuer Aufruf zu mehr EngagementBild: picture-alliance/ dpa

Deutsche Welle: Frau Ministerin, im September 2008 fällt die Bilanz der Umsetzung der Millenniumsziele eher gemischt aus. Was bereitet Ihnen derzeit die größten Sorgen?

Heidemarie Wieczorek-Zeul: Die größten Sorgen macht mir, dass es bisher nicht gelungen ist, die Müttersterblichkeit wirklich deutlich zu senken und dass immer noch Jahr für Jahr bis zu 600.000 Frauen - zumal der größte Teil in den Entwicklungsländern - Geburt und Schwangerschaft mit dem Leben bezahlen. Und auch die Sterblichkeit von Kindern ist zu hoch: Fast jedes Jahr gibt es zehn Millionen Kinder, die ihr fünftes Lebensjahr nicht erreichen. Deshalb werden wir noch einmal eine Arbeitsgruppe mit der britischen Regierung und der Weltbank einrichten, um gezielt Mittel für die Gesundheitssysteme, für die Behandlung und für den Zugang zu medizinischer Versorgung zu aktivieren.

Haben Sie schon konkrete Ideen, was die Bundesregierung dazu beisteuern kann?

Erstens werden wir bei der Beratung von Entwicklungsländern immer wieder nachgefragt, zum Beispiel um grundlegende soziale Sicherheitsnetze entwickeln zu helfen. Denn auch in den Entwicklungsländern gibt es immer weniger traditionelle Familien. Deshalb ist es wichtig, dass zum Beispiel Krankenversicherungssysteme entwickelt werden, die dazu führen, dass Menschen nicht in Armut fallen, wenn sie krank werden.

Zweitens haben wir ein innovatives Finanzierungsinstrument, um den globalen Fonds zur Bekämpfung von HIV, Malaria und Tuberkulose mitzufinanzieren: Und zwar erlassen wir einem Teil der Entwicklungsländer, wenn sie das wollen, ihre Schulden - wenn sie als Ausgleich die Hälfte der Schulden in den globalen Fonds einzahlen. So profitieren gleich drei Bereiche davon. Eine Reihe dieser "debt swaps" können zusätzlich mobilisiert werden. So werden aus Schulden produktives Engagement für eine produktive Entwicklung der Gesundheit.

Ein Sorgenkind bei der Erreichung der Millenniumsziele ist Afrika. Woran liegt das?

Die wirtschaftliche Entwicklung und der Kampf gegen die Armut kommen trotz hoher Wachstumsraten deshalb nicht so gut voran, weil die Märkte sehr klein sind und zum Teil auch die finanziellen Möglichkeiten der Menschen nicht ausreichend genutzt werden. Deshalb haben wir während unserer G8-Ratspräsidentschaft immer darauf hingewiesen: Afrika braucht zwar "official development assistance", aber es braucht auch Direktinvestitionen - entweder aus dem Ausland oder durch die Mobilisierung eigener Kräfte im Land. Deshalb ist der Zugang zu Mikrofinanzen und Krediten einer der Punkte, den man schwerpunktmäßig voranbringen muss. Dafür sollte auch die Afrikanische Entwicklungsbank genutzt werden. Das andere Problem ist der mangelnde Ausbau der Gesundheitssysteme und dadurch die mangelnde Präsenz von Ärzten und Krankenschwestern, [die es ermöglichen würden,] dass Menschen tatsächlich etwas erreichen können.

Meinen Sie, dass es überhaupt machbar ist, die acht Millenniumsziele bis 2015 zu erreichen?

Es muss geschafft werden. Es sind acht Gebote für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung. Ich will das gern auch nochmal an Zahlen verdeutlichen: Wenn es möglich ist, in den USA zur Rettung des Bankensystems 700 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren, dann muss es doch möglich sein, dass die Welt die notwendigen Milliardenbeträge mobilisiert, um die Welt vor Hunger und Armut zu retten.