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Das Bio-Museum in Panama

5. September 2010

Das kleine mittelamerikanische Land Panama ist erstaunlich artenreich. Ein Grund dafür ist seine außergewöhnliche erdgeschichtliche Vergangenheit. Ein Museum des Stararchitekten Frank Gehry soll dies nun erlebbar machen.

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Pfeilgiftfrosch (Foto: AP)
Bild: AP

Lage, Lage, Lage: der Amador Causeway ist der Traum eines jeden Immobilienentwicklers. Eine künstliche Landzunge im Pazifik, gebaut mit dem Aushub des Panamakanals, die die Inseln vor Panama-Stadt mit dem Festland verbindet. Gelegen zwischen der Einfahrt in den Panama-Kanal und der Bucht von Panama-Stadt.

Lange war der Amador Causeway Sperrgebiet, kontrolliert von den USA. Doch als sich die Amerikaner 1999 zurückzogen, da fiel mit dem Kanal auch die Landzunge zurück an die Panamaer. Genau hier, in dieser privilegierten Lage, mit Blick auf die Kolonialgebäude der Altstadt und die Hochhäuser der Neustadt, entsteht Frank Gehrys Museum der Biodiversität.

Herausforderung für die Sinne

Karte von Panama und dem Panama-Kanal (Karte: DW)
Bild: AP/DW

Jorge Kiamco wischt sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne steht hoch am Himmel, auch die Meeresbrise bringt kaum Kühlung. Kiamco trägt Jeans, ein hellblaues Hemd, auf dem Kopf einen weißen Plastikhelm. Der schmächtige Endfünfziger leitet die Bauarbeiten am Museum der Biodiversität. "Zu Beginn war das für mich ein Job wie jeder andere", erklärt Kiamco, "inzwischen aber bin ich wirklich stolz auf das, was wir hier tun."

Noch ist das Museum nur ein Rohbau, noch ist es schwer, sich vorzustellen, wie es später aussehen wird. Stahlträger ragen scheinbar chaotisch in den Himmel, unterschiedliche Ebenen schieben sich übereinander. Kiamco nimmt mich mit in einen kubischen Raum mit unverputzten Betonwänden: "Hier entsteht das sogenannte Panamarama. Die Besucher stehen auf einem Glasboden. Unter, neben und über ihnen sind Leinwände mit Bildern der biologischen Viefalt Panamas. Außerdem hören sie Originalklänge." Regelmäßig führt Jorge Kiamco Besucher über die Baustelle. Schon jetzt ist das Interesse groß, schon jetzt kommen Menschen aus aller Welt. Journalisten, Architekten, Touristen.

Museum mit Mission

"Das Museum will das Bewusstsein seiner Besucher verändern: Die Menschen sollen erkennen, dass der Regenwald nicht nur einen wirtschaftlichen Wert hat." Lider Sucres dunkle Augen glänzen. Der drahtige Mann Anfang 40 gerät ins Schwärmen, wenn er von "seinem" Museum erzählt. Sucre, geboren in Panama, ausgebildet in den USA, war Umweltaktivist, setzte sich für die Rettung von Panamas Wäldern ein. Dann übernahm er die Leitung des künftigen Museums der Biodiversität.

Baustelle des Museums (Foto: Silvia Grünhut)
Die Baustelle des Museums auf dem Amador Causeway, rechts die Einfahrt in den Pamama-Kanal.Bild: Silvia Grünhut

"Wir wollen die Besucher sensibilisieren für die Bedeutung unseres Naturerbes, für das außergewöhnliche Wunder der Evolution, die Millionen Jahre gebraucht hat, um auf dem heutigen Stand anzukommen." Die Menschen, glaubt Sucre, würden nur schützen und bewahren, was sie auch verstehen. "Wir zeigen den Leuten, wie das Ökosystem funktioniert - mit seinen zahllosen Lebensformen, eine von der anderen abhängig. Wenn die Leute das begreifen, dann werden sie dieses Erbe schützen."

Ein Land als Museum

Noch residiert der Museumschef in einer Lagerhalle neben der Baustelle. Auf weißen Stellwänden hängen Bilder und Grafiken des Museums. Das Konzept der Ausstellung hat der kanadische Designer Bruce Mau entworfen. In acht Etappen erzählt er die Geschichte der Landbrücke zwischen (den lange getrennten Kontinenten) Süd- und Nordamerika. Die Ausstellung informiert über die Entstehung der Landverbindung durch Vulkanausbrüche vor rund 2,5 Millionen Jahren, den darauf folgenden Austausch der Tierarten zwischen Nord- und Südamerika und die Auswirkungen auf Weltklima, Ozeane und Menschheit.

Lider Sucre auf der Baustelle des Museums (Foto: DW/Nils Naumann)
Lider Sucre auf der Baustelle des MuseumsBild: DW/N. Naumann

"Wir wollen die Natur nicht ersetzen", betont Lider Sucre, "wir wollen den Besuchern zeigen, dass im Grunde das ganze Land ein Museum ist. Wir wollen sie ermutigen, rauszugehen und die biologische Vielfalt vor Ort zu erleben." Panama, ein Land von der Größe Österreichs, besitzt eine der größten Artenvielfalten der Welt. In den Nebel- und Regenwäldern des Landes wachsen rund 10.000 tropische Pflanzenarten. Es gibt Jaguare, Nasenbären, Brüllaffen und mehr als 1500 unterschiedliche Schmetterlingsarten. Der Kontakt mit der Natur, so Sucre, sei in Panama besonders gut möglich, ganz egal, wie viel Geld oder wie viel Zeit die Besucher mitbringen würden.

Wirtschaftliche Hoffnungen

Panama erhofft sich von dem Bau des Museums einen Anstieg der Touristenzahlen. Lider Sucre rechnet mit Mehreinnahmen von 60 bis 100 Millionen Dollar pro Jahr. Die Kosten, rund 60 Millionen Dollar, seien da schnell wieder reingeholt: "Viele werden von dem Museum profitieren: Taxi-Fahrer, Künstler, Hotels und Restaurants. Neue Jobs werden entstehen. Der wirtschaftliche Nutzen für Panama rechtfertigt die Investitionen in das Museum mehr als reichlich."

Schon allein die außergewöhnliche Architektur, so glaubt Sucre, werde viele Besucher anlocken. Frank Gehry, einer der bekanntesten Architekten der Welt, Konstrukteur des Guggenheim-Museums in Bilbao, hat ein buntes, verspieltes, scheinbar strukturloses Gebäude entworfen. Fast ohne rechte Winkel, aber mit hohem Symbolgehalt: "Frank Gehry hat das Gebäude geplant," erklärt Lider Sucre, "um die Geschichte und die Folgen der Entstehung Panamas zu erzählen."

Modell des Museums (Foto: Biomuseo)
Modell des MuseumsBild: Biomuseo

Die längliche Form des Museums soll eine Brücke - die Brücke des Lebens - widerspiegeln. Das aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte bunte Dach, etwas sehr unübliches für Frank Gehry, symbolisiert die biologische und kulturelle Vielfalt Panamas und der Tropen. "Die Teile des Daches", so Lider Sucre, "schieben sich scheinbar chaotisch über- und untereinander, ohne sich zu berühren. Das ist eine Referenz an das Dach des Regenwaldes." Die Besucher sollen sich fühlen, als ob sie im Wald wären.

Architektonisches Neuland

Noch ist von der komplizierten Dachkonstruktion nur ein spitzwinkeliges Gerüst von Stahlträgern zu sehen. Die asymmetrische Architektur Gehrys ist für die Ingenieure und Bauarbeiter eine hochkomplexe Herausforderung. Neuland auch für Bauleiter Jorge Kiamco: "Es gibt kaum Wiederholungen, keine standardisierten Abläufe, jedes Element muss extra millimetergenau angefertigt werden, das dauert und das kostet."

Und so hängen die Bauarbeiten schon jetzt deutlich hinter dem Zeitplan. Eigentlich sollte das Museum schon 2010, pünktlich zum Jahr der Biodiversität, eröffnet werden. Inzwischen wurde der Eröffnungstermin auf Ende 2011 verschoben. Bis dahin führt Jorge Kiamco die Besucher eben weiter über die Baustelle.

Autor: Nils Naumann
Redaktion: Judith Hartl