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Ein neuer Strategie-Zug

Matthias von Hein 10. Februar 2005

Die Bestätigung Nordkoreas über den Besitz von Atomwaffen und die Ankündigung des Ausstiegs aus den Atomgesprächen ist Teil eines Erpressungsspiels mit den USA, meint Matthias von Hein.

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Fast auf den Tag 60 Jahre ist es her, dass auf der Konferenz von Jalta die Teilung Koreas beschlossen wurde - von der damals noch existierenden Sowjetunion und den USA. Die Folgen beschäftigen uns noch heute: Die koreanische Halbinsel gilt als einer der brenzligsten Krisenherde der Welt.

Die Nuklearkrise um Nordkorea geht mittlerweile in ihr drittes Jahr. In dieser Zeit hat die Weltöffentlichkeit mit Staunen den Zynismus zur Kenntnis genommen, mit dem Pjöngjang auf der Klaviatur von Drohungen und vermeintlichen Zugeständnissen zu spielen versteht. Der Konflikt insbesondere mit den USA wird je nach Interessenlage eskaliert oder abgebremst - was dem nordkoreanischen Regime den Ruf der Unberechenbarkeit eingebracht hat.

Dass Pjöngjang jetzt (10.2.2005) den Besitz von Atomwaffen eingeräumt hat, gehört in die Kategorie "Eskalationsverschärfung". Das Regime möchte sich die Rückkehr an den Verhandlungstisch mit Zugeständnissen teuer bezahlen lassen. Zugeständnisse in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Von den USA will Pjöngjang vor allem eines: eine Sicherheitsgarantie, am liebsten in Form eines Nichtangriffspaktes. Zusätzliche Lieferungen von Energie oder auch Nahrungsmitteln von Seiten der anderen Staaten wären ebenfalls willkommen.

Nordkorea spielt dieses Erpressungsspiel seit Jahren. Schon im Juli 2003 hatte Nordkorea erklärt, es habe genug Brennstäbe aufbereitet, um ein halbes Dutzend Atomwaffen herzustellen. Das Land drohte damals sogar mit einem Atomtest. Leider muss man davon ausgehen, dass Pjöngjang tatsächlich Atomwaffen besitzt - nicht zuletzt dank tatkräftiger Hilfe aus Pakistan.

Das Regime steht mit dem Rücken zur Wand. Allein mit Atomwaffen glaubt es sein Überleben in einer nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unfreundlicher gewordenen Welt sichern zu können. Enorme Ressourcen werden für dieses Projekt eingesetzt - dass die Bevölkerung hungert, spielt da keine Rolle.

Selbst wer ansonsten das Pathos amerikanischer Politiker-Statements ablehnt, wird Condoleezza Rice zustimmen, wenn sie Nordkorea als "Außenposten der Tyrannei" bezeichnet. Mit der Verwendung dieses Ausdrucks begründete Pjöngjang offiziell seinen Rückzug von den Sechser-Gesprächen. Dabei hatte US-Präsident George W. Bush in seiner Rede zur Lage der Nation kürzlich eigens auf die Verwendung allzu konfrontativer Vokabeln im Zusammenhang mit Nordkorea verzichtet und von einer diplomatischen Lösung des Konflikts gesprochen.

Für den großen Nachbarn und letzten Verbündeten China wird Nordkorea zunehmend zur Belastung. Peking hat viel Prestige in die Waagschale geworfen, um die Sechser-Gespräche überhaupt in Gang zu bringen und hat sich einen Ruf als verlässlicher Makler in der Nordkorea-Krise erworben. Jetzt ist Peking düpiert. Wenn nach dem Frühlingsfest Mitte Februar ein noch nicht genannter Top-Beamter nach Pjöngjang reist, wird China wohl massiv Druck machen.

Es wäre sicher hilfreich, wenn Peking diesen Druck wirtschaftlich unterfüttert. So geschehen vor zwei Jahren: Im März 2003 wurden aus "technischen Gründen" die Energielieferungen aus China nach Nordkorea für mehrere Tage unterbrochen. Nordkorea ist von diesen Lieferungen abhängig, sie decken 80 Prozent des Bedarfs. Kurz darauf
wurden die unterbrochenen Kontakte zu den USA wieder aufgenommen.