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Ein neues EU-Gericht nur für EU-Beamte

Oliver Ilan Schulz5. Oktober 2005

Die EU schafft sich ihr eigenes Arbeitsgericht. Der Bedarf ist da, doch wäre wohl eine kostengünstigere Lösung möglich gewesen.

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Entlastung für den Europäischen Gerichtshof in LuxemburgBild: AP

Am Mittwoch (5.10.2005) sprechen in Luxemburg die sieben Richter des neu geschaffenen Gerichts für den Öffentlichen Dienst der EU ihren Amtseid. Warum leistet sich die EU eine neue Institution? Das Gericht ist für die über 40.000 Beamten und Angestellten zuständig, die in den EU-Institutionen tätig sind. So kann sich beispielsweise ein Beamter der Europäischen Zentralbank in Frankfurt nicht an ein deutsches Verwaltungs- oder Arbeitsgericht wenden, wenn er in Konflikt mit seinem Arbeitgeber gerät: Schließlich ist die EU eine supranationale Organisation und steht damit über der deutschen Rechtsprechung. Bisher mussten Arbeitnehmer zum Gericht erster Instanz des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg gehen. Schon dieses Gericht war zur Entlastung des Europäischen Gerichtshofs eingerichtet worden. Aber selbst für dieses Gericht schienen arbeitsrechtliche Fälle etwas hoch gehängt. Zwar ist auch das neue Gericht beim Europäischen Gerichtshof angesiedelt, allerdings hat der EU-Rat im November 2004 entschieden, den Bereich des europäischen Arbeitsrechts auszugliedern und dafür das erste Fachgericht der EU zu schaffen.

Tisch frei für wirklich wichtige Fälle

Horstpeter Kreppel, deutscher Richter an dem neu geschaffenen Fachgericht, hält es für eine sinnvolle Investition. "Das Gericht erster Instanz (des Europäischen Gerichtshofs) behandelt Wettbewerbsklagen, bei denen es um Milliarden geht. Wenn dann wegen 200 Beamtenklagen eine ein- bis zweijährige Verzögerung eintritt, ist die Schaffung eines Fachgerichts eine Effizienzsteigerung." Das ist einsichtig, vor allem weil sich die EU noch ein weiteres Ei ins Nest gelegt hat: Im Zusammenhang mit der seit 2004 greifenden Reform des Beamtenstatuts ist mit einer neuen Klagewelle zu rechnen.

Michael Jäger, zuständig für Europafragen beim Bund der Steuerzahler, äußert sich abwartend zum neuen Gericht: "Wenn höhere Kosten entstehen, sollte in Zeiten knapper Kassen immer erst nach einer anderen Lösung gesucht werden. Wenn aber bei den bisherigen Instanzen durch eine Überlastung in arbeitsrechtlichen Fragen Verschleppungen entstehen, kann ein neues Gericht sinnvoll sein. Ein Vorteil muss sich immer in Zeit- oder Geldeinheiten rechnen." Der Europäische Rechnungshof, das EU-interne Kontrollorgan, gibt sich ebenfalls zurückhaltend. Dort heißt es, man könne die neue Gerichtsbarkeit erst später, anhand ihrer Ausgaben und Ergebnisse prüfen.

Alternative Lösungen nicht ausgelotet

Fälle scheint es genug zu geben. Es bleibt aber die Frage, ob dafür ein neues Gericht notwendig war. Markus Ferber, Mitglied des Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments, bedauert die Neugründung ausdrücklich. Es sei zu wenig über Alternativen nachgedacht worden. Auch eine Schiedsgerichtskommission bei der Europäischen Kommission oder eine kleine Spruchkammer im Europäischen Gerichtshof wären vorstellbare Lösungen gewesen. "Leider hat der Europäische Gerichtshof dahingehend keine vernünftigen Vorschläge gemacht, er denkt in alten Strukturen. So wurde eine neue Verwaltung mit einem Haufen Planstellen geschaffen", erklärte der Abgeordnete der Europäischen Volkspartei. Das Parlament durfte beim Vorschlag des Rats nicht mitentscheiden und machte daher keine eigenen Vorschläge. In einer unverbindlichen Stellungnahme hat der Rechtsausschuss dem Vorhaben zugestimmt, um den Europäischen Gerichtshof zu entlasten.

Die Möglichkeit der Gründung von Fachgerichten besteht seit dem Vertrag von Nizza aus dem Jahr 2001, um angesichts der zunehmenden Mitgliederzahl und EU-Kompetenzen den Europäischen Gerichtshof zu entlasten. Sie sind so genannte Eingangsgerichte, gegen die dann beim Gericht der ersten Instanz in Revision eingelegt werden kann. Bei der EU wird unter anderem über ein Fachgericht für Markenrecht nachgedacht. Die Richter des Gerichts wurden aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten ausgewählt. Zu ihnen zählen Fachleute aus dem Arbeitsrecht, der Forschung, der Politik sowie zwei bisherige Rechtsreferenten am Europäischen Gerichtshof.