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Ein neues Okay

24. April 2009

Was ich bislang noch nicht wusste, das weiß ich jetzt: Es gibt nicht nur Moden im Sprachgebrauch, sondern auch Moden in der Aussprache.

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Der Schriftsteller Burkhard Spinnen.Bild: privat

Eine solche Modevariation erlebt momentan das bekannteste Wort der Welt, das aus dem Amerikanischen stammende Okay, dessen Entstehungsgeschichte ja nicht genau zu klären ist. Ich kannte dieses Okay bislang nur im Tonfall einer mehr oder minder begeisterten Zustimmung. Und genau so habe ich es auch selbst verwendet. Zwei knappe Silben, wenn man einverstanden ist. Okay.

Zwei knappe Silben auch, wenn man sich für den Wert einer Sache verbürgt: Das ist Okay. Natürlich gibt es darüber hinaus auch die Möglichkeit, durch ein Okay klein beizugeben. Ich bin vielleicht nicht ganz überzeugt, aber ich weiß auch keine Alternativen, und bevor wir die Sache zerreden, sage ich zu einem der Vorschläge: Okay.Eines haben dabei alle diese Okays gemeinsam: Nach ihnen kommt erstmal nichts mehr. Nach einem Okay ist der Fall geklärt und entschieden, gegebenenfalls schreitet man zur Tat.

Eine neue Variante

Nun aber gibt es ein neues Okay, oder sagen wir: eine neue akustische Variante. Ich vermute, sie kommt auch aus Amerika; möglicherweise wurde sie am Telefon geboren. Dieses neue Okay hat den Tonfall der Frage. Es hat eine Art Kante oder Delle und ist im zweiten Teil merklich gedehnt, etwa so: O’kä-j? Ich versuche es gleich noch einmal: O’kä-j?

Dieses neue Okay verfolgt mich seit Monaten. Und ich sage es frei heraus: Gäbe es Mittel, ein Wort zu erschlagen – ich wüsste nicht, wozu ich in diesem Falle fähig wäre. Besonders wenn ich mit jüngeren Menschen aus dem Business spreche, überfällt mich dieses Okay. Ich sage etwas – und mein Gegenüber untermalt mit seinem O’kä-j? meinen Vortrag.

Eine Seuche

Tastatur blau mit Fragezeichen
okay oder o'kä-j

Doch das signalisiert keineswegs Zustimmung, sondern allenfalls eine verhaltene Duldung, eher aber noch eine unterschwellige Ablehnung. O’kä-j? Das bedeutet so viel wie: Jaah, ich höre dir zu, jaah, ich verstehe soweit, was du meinst, jaah, aber ich bleibe reserviert, jaah, ich warte erstmal ab. Beziehungsweise: Rede du nur – und dann rutsch mir den Buckel runter.

Dieses neue Okay grassiert wie eine Seuche. Es verwandelt nette Leute in blasierte Schnösel. O’kä-j? Es verwandelt Gespräche in Abstrafungen. Es ist ein Wort, das zu Topmodel- und Superstar-Wettbewerben, zu Dschungelcamps und Zickenkriegen passt. Es ist die Begleitmusik fürs organisierte und medial aufbereitete Mobbing.

Ich hasse dieses Wort.

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Gerade ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).

Redaktion: Gabriela Schaaf