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Ein noch größeres Rad drehen

Bernd Gräßler, mas14. August 2002

Windkraftwerke schießen wie Pilze aus deutschen Wiesen und Äckern. Die Hälfte aller europäischen Windräder steht hier. Obwohl die Anlagen sehr umweltfreundlich sind, haben sie aber nicht nur Freunde.

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Windkraft-Weltmeister Deutschland - ein Beispiel für die Welt?Bild: Windfang e.G. FrauenEnergieGemeinschaft

Knapp zwei Jahrzehnte nachdem in Deutschland das erste private Windrad seine Energie ins Netz einspeiste, werden in der Bundesrepublik 10.000 Megawatt Windkraft-Leistung erzeugt. Das sind 3,5 Prozent des Strombedarfs, oder anders ausgedrückt: Allein durch Windenergie könnte die Hauptstadt Berlin rundum mit Strom versorgt werden.

Monat für Monat kommen Windkraftwerke mit etwa 150 Megawatt neuer Leistung hinzu. Zum Vergleich: Ein vergleichbares Stromaufkommen aus Wind erschloss Portugal in den vergangenen 20 Jahren. Möglich macht den deutschen Boom das hiesige Energie-Einspeise-Gesetz. Es garantiert den Betreibern von Windrädern eine stabile, über dem normalen Strompreis liegende Vergütung für ihre Windenergie.

Beispiel für den Klima-Gipfel

Die deutschen Wachstumsraten freuen den Präsidenten des Bundesverbandes Windenergie, Peter Ahmels. Mit Blick auf den Weltklimagipfel Ende des Monats in Johannesburg, weist er darauf hin, dass diese Art der Stromgewinnung weltweit zur Lösung der Energieprobleme beitragen könnte. "Wir dürfen nicht vergessen, dass im Moment noch zweieinhalb Milliarden Menschen ohne Strom oder ohne Zugang zur Elektrizität sind", erinnerte Ahmels im Gespräch mit DW-WORLD. "Von daher kann das Potential, was sich hier in den nächsten Jahren noch durch Zuwachs ergibt, von vornherein auf erneuerbare Energien abgestellt werden und größere Emissionsmengen von Anfang an vermieden werden."

Schröder mit Windmühle
Freund der Windräder: Bundeskanzler Gerhard SchroederBild: AP

Die konkrete Entlastung der Umwelt durch den Windrad-Boom sei die eine Seite, die Symbolwirkung für den weltweiten Klimaschutz die andere positive Folge, meinen Windkraftbefürworter. Wie stark dieses Symbol in den Augen internationaler Beobachter ist, könnte sich auf in Johannesburg herausstellen. Dort treffen sich vom 26. August bis zum 4. September Regierungsvertreter und Experten von allen Kontinenten, um über den weltweiten Umwelt- und Klimaschutz zu beraten. Eine uneingeschränkte Würdigung des deutschen Wind-Weges ist dort nicht zu erwarten. Denn während in Deutschland günstige Rahmenbedingungen für naturfreundlichen Strom herrschen, muss sich Windenergie in anderen Ländern auf liberalen Energie-Märkten behaupten. Dies misslingt häufig, da diese Form der Stromgewinnung derzeit noch kostspieliger ist als beispielsweise Kernkraftwerke – zumindest so lange man die Kosten von Atommüll-Beseitigung nicht genau beziffern kann.

Kritik und Protest

Selbst in Deutschland haben die riesigen Windräder nicht nur Freunde. Rechtsanwalt Thomas Mock, der zahlreiche Windkraftgegner vertritt, meint, dass die Anlagen nicht in dem Maße zum Klimaschutz beitragen, wie es die Befürworter behaupten. Bei manchen Bürgern löst der schnelle Vormarsch der Windräder auch Proteste aus, weil sie sich durch Lärmbelastung und unangenehme Lichteffekte gestört fühlen. 300 Bürgerinitiativen haben sich deutschlandweit schon gebildet.

Windkraft in Kron-Prinzen-Koog
Rasend schnell und deshalb eine Gefahr für VögelBild: AP

Naturschützer, wie der Präsident des brandenburgischen Umweltamtes, Matthias Freude, weisen auf die Entstellung der Landschaft und immer mehr Unfälle mit großen Vögeln hin. Die Vögel könnten den nur scheinbar langsamen Rotorblättern, die an den Enden 300 bis 400 Stundenkilometer erreichten, nicht ausweichen, sagt Freude. Manche Naturschützer fordern daher, die Windräder nicht über das gesamt Land zu verteilen, sondern stärker auf einige Windparks zu konzentrieren.

Eine Begrenzung der Anlagen scheint aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: Bis zum Jahr 2010 wird sich nach Einschätzung des Bundesverbands Windenergie die Zahl auf etwa 25.000 verdoppeln. Dann wird es wohl auch die ersten sogenannten "off-shore"-Projekte im küstennahen Meer geben. In 30 Jahren soll fast ein Drittel des deutschen Stroms aus Windkraft gewonnen werden.