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Ein Papst der Überraschungen

Carola Hoßfeld24. April 2005

Benedikt XVI. ist in Amt und Würden - und weiterhin umstritten als Dogmatiker oder Bewahrer. Doch das Festhalten an der Tradition schließe Reformen nicht aus, meint Carola Hoßfeld in ihrem Kommentar.

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Mit Benedikt XVI., dem ersten Papst aus dem deutschsprachigen Raum seit 482 Jahren, haben die Kardinäle im Konklave einen feinsinnigen, sensiblen und asketischen Intellektuellen auf den Stuhl Petri gewählt. Als Präfekt der Glaubenskongregation wachte er mehr als 20 Jahre im Auftrag von Johannes Paul II. über die reine Lehre. In dieser Funktion galt er als unbeugsamer Glaubenshüter. Seine Strenge brachten ihm und der römischen Kurie vor allem in Westeuropa Kritik ein. Dabei wussten auch wortgewandte notorische Papstkritiker wie der Schweizer Theologe Hans Küng immer, an welcher Person sie sich rieben: an einem der brillantesten Theologen der Kirche, einem aufmerksamen Zuhörer und scharfsinnigem Analytiker.

Scheues Lächeln als Markenzeichen?

Bereits in den ersten Tagen nach seiner Wahl hat er die Menschen in Rom und weltweit begeistert. Benedikt XVI. hat seine Rolle gewechselt: der vielfach als "hartherziger Restaurator" empfundene einstige Präfekt der Glaubenskongregation wurde als bescheidener, zurückhaltender neuer Papst entdeckt. Sein scheues, gewinnendes Lächeln wird vielleicht das Markenzeichen dieses Pontifikats. "Gottes herzlicher Hardliner" titelte ein deutsches Magazin in der aktuellen Ausgabe.

Wird ein Reformer oder ein Bewahrer gewählt? So spekulierten die Medien im Vorfeld des Konklaves. Wird es gar ein Papst aus dem globalen Süden, wo die Zukunft der Kirche liegt, aus Lateinamerika oder Afrika? Die Kardinäle haben sich nicht auf Experimente eingelassen. Benedikt XVI. steht für Kontinuität. Das machte er nicht zuletzt in der Predigt bei seiner Einführung am Sonntag (24.4.2005) deutlich.

Mit eigenen Akzenten ist zu rechnen

Mehrfach berief er sich auf seinen Vorgänger Johannes Paul II. Doch Bewahren, das Festhalten an der Tradition schließt Reformen nicht aus. Darauf setzen viele Menschen in der Kirche, vor allem mit Blick auf den innerkirchlichen Reformstau. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, bleibt abzuwarten. Als oberster Glaubenshüter musste Joseph Ratzinger nach außen die Linie des Papstes vertreten. Nicht immer stand er persönlich hundertprozentig hinter den Verlautbarungen seiner konservativen Behörde. Als Papst jedoch kann er nun eigene Akzente setzen. Und damit ist zu rechnen.

Er brauche keine Art Regierungsprogramm aufzulegen, sagte Benedikt XVI. bei seiner Einführungsmesse. Das eigentliche Programm sei, nicht seinen eigenen Willen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf das Wort des Herrn zu hören. Seine theologische Richtlinie hat er allerdings Tage zuvor bei seinem ersten Gottesdienst als Papst angekündigt: Mit einem Bekenntnis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, das der Kirche in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Modernisierung verschrieb. Mit einem Bekenntnis zur Ökumene und zum Dialog mit den Weltreligionen.

Mit Überraschungen ist zu rechnen

Daraus könnte man schließen, dass der neue Papst einen Schwerpunkt setzt auf innerkirchliche und theologische Aspekte. Dass er behutsam Reformen anstößt, die vielleicht erst sein Nachfolger zu Ende führt. Mit Überraschungen ist zu rechnen. Benedikt XVI. hat möglicherweise noch viele unbekannte Qualitäten, die erst in seinem neuen Amt zum Tragen kommen.