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Ein romantisch schöner Dschungel

Daphne Antachopoulos, Thessaloniki13. August 2003

Thessaloniki ist die zweitgrößte Stadt Griechenlands und eine sprudelnde Metropole, die vor allem vom Charme der Vergangenheit lebt. Europäische Standards in Umweltschutz und Verkehr setzen sich nur langsam durch.

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Der "Weiße Turm" am Hafen ist ein Markenzeichen der StadtBild: Chatzispirou

Aufheulende Motoren, quietschende Bremsen, Hupkonzerte: Dreispurig zwängt sich die Leofóros Níkis, die "Siegesstraße", zwischen Aristoteles-Platz und Promenade. In der Hauptverkehrs-Zeit machen die Griechen gern vier Spuren daraus. Wer die Straße vom Platz aus überqueren möchte, um ans Meer zu gelangen, muss eine autofreie Sekunde abwarten. Denn wie in vielen südeuropäischen Metropolen gilt für die Autofahrer auch hier das Motto: Wer bremst, hat verloren.

In einigen Jahren allerdings soll die befahrene Promenade zur verkehrsfreien Fußgängerzone umgewandelt werden. Die Pläne für einen Auto-Tunnel sind schon einige Jahrzehnte alt. Man dürfe eben die Hoffnung nicht aufgeben, sagt der Rentner Takis Tsirellis, während er in einem der Cafés unter den Arkaden des Aristoteles-Platzes seinen Mokka schlürft. Die Stadt habe in den letzten Jahren schließlich schon große Fortschritte gemacht, sagt Tsirellis bedächtig.

Container statt Mülltüten

Tatsächlich hat die Stadt Thessaloniki vor einigen Jahren eine Art Mülltrennung eingeführt. Papier und Glas können in speziellen Containern entsorgt werden. Schon seit etwa zehn Jahren sammelt man den Restmüll in großen Tonnen, anstatt ihn wie früher in Tüten lose an den Straßenrand zu stellen. In der Stoa Modiáno, der Markthalle unweit des Aristoteles-Platzes, wirft man seinen Abfall allerdings noch immer achtlos zu Boden. Die langen überdachten Gänge werden deshalb ständig mit Wasser abgespritzt.

Dicht gedrängt schieben sich die Menschen durch die Hallen, vorbei an den Marktständen. Auf diesen ist auf Hochglanz poliertes Obst und Gemüse sorgfältig gestapelt, Hülsenfrüchte, Trockenobst und duftende Gewürze in grobe Leinensäcke verpackt, Lämmer und Hühner nackt nebeneinander an Fleischer-Haken aufgereiht. Es gebe Orte in der Stadt, an denen scheine die Zeit stehen geblieben zu sein, schwärmt Takis Tsirellis. "Die Art zu leben ist gleich geblieben: langsam, romantisch und schön, so wie früher. Nur die Preise haben sich verändert. Alles ist teurer geworden", erzählt Tsirellis.

Denkmalschutz statt Abriss

Nur wenige Schritte neben den Markthallen beginnt das ehemalige Viertel der Lagerhallen "Ladádika". Vor fünfzehn Jahren war es ein verrufener Rotlicht-Bezirk, direkt zwischen Aristoteles-Platz und Hafen. Doch die Stadtväter erkannten die einmalige Gelegenheit: Anstatt, wie sonst üblich, die maroden Gebäude abzureißen und Hochhäuser hochzuziehen, stellte man das Viertel unter Denkmalschutz und restaurierte die alten Hallen. Und so flaniert man heute in den verkehrsberuhigten Gassen von einer Bar oder Taverne zur nächsten und besucht kleine Galerien und Museen.

Auch in anderen Teilen der Stadt setzt man auf Denkmalschutz und Restaurierung. Türkische Hamams wurden zu Konzertsälen. Der "Mylos", ein altes Mühlen-Gelände am West-Rand Thessalonikis, wurde zu einem Kultur-Zentrum mit Ausstellungsräumen, Konzertsälen und Restaurants.

Stadt der Gegensätze

Thessalonike
Der Aristoteles-PlatzBild: M. Stefosi

Zurück ins Geschäftszentrum der Stadt, zum Aristoteles-Platz: An sein oberes, ungepflegtes Ende verirrt sich kaum ein Tourist. Hier unter den zerzausten Zypressen warten die albanischen Tagelöhner auf ihre griechischen Arbeitgeber. Niemand weiß, wie viele Menschen während des Kriegs auf dem Balkan nach Thessaloniki kamen. Am unteren Ende des Platzes tobt der Konsum: Rücksichtslos hetzen die Menschen durch die Geschäftsstraßen, vorbei an Boutiquen, Ramsch-Läden, Buch-Handlungen, Juwelieren und Patisserien. Aus der ältesten Patisserie der Stadt "Terkenlí", an der Ecke Aristoteles-Platz und Tsimiski-Straße, weht der verführerische Duft gefüllter Blätterteig-Taschen.

Ein Herr mit grauem Lockenkranz schlendert am Schaufenster vorbei. Babis Amiridis wirft einen gedanken-verlorenen Blick auf die Torten und Pralinés. Er findet nicht, dass sich die Stadt in den letzten Jahren zum Besseren verändert hat: "Sie hat ihren Glanz verloren. Früher war sie romantischer. Sie hatte eine Anziehungskraft, die auf wirklich jeden wirkte. Jetzt ähnelt sie eher einem Dschungel".