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Ein (saudisches) Königreich für ein Kino

3. September 2009

Im Gespräch mit DW-World.de: Die saudi-arabische Filmemacherin Haifaa al-Mansour über die miserable Kino-Industrie in ihrem Land und ihren letzten Film "Frauen ohne Schatten"

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Verschleierte Frau mit Videokamera
Der Vollschleier (Niqab) is im Königreich VorschriftBild: AP

Um als saudi-arabischer Bürger einen vergnüglichen Abend vor der Kinoleinwand zu verbringen, muss man derzeit noch ins benachbarte Bahrain fahren. Keine gute Voraussetzungen für junge saudische Regisseure - dass es in ihrem Heimatland nicht einmal Kinosäle gibt. Filmemacherin Haifaa al-Mansour ist einige der wenigen, die sich mit Nachdruck gegen eine derartige Kino-Unkultur zur Wehr setzen. Dabei hat sie es als Frau besonders schwer, im Film-Metier Fuß zu fassen.

Die Skyline der Hauptstadt Manama in Bahrain
Das benachbarte Bahrein ist der Vergnügunspark der SaudisBild: picture-alliance/dpa

Al-Mansour wuchs in einer gebildeten Familie in Saudi-Arabien auf. Ihr Vater war Dichter und wollte, dass seine Tochter Karriere macht. Deshalb schickte er Haifaa auf die Amerikanische Universität in Kairo, wo sie englische Literatur studieren sollte. Aber ihre Leidenschaft galt dem Kino, und sie fing an, Filme zu machen – allen Umständen zum Trotz.

Arbeiten im "Ein-Frau-Team"

"In Saudi-Arabien fehlt eine Kultur des Films," sagt al-Mansour im Gespräch mit DW-World.de. "Die Leute haben Angst davor, gefilmt zu werden. Es gibt keine weiblichen Schauspieler. Außerdem ist die saudische Gesellschaft nicht gewohnt, dass eine Frau Filme dreht." Haifaa al-Mansour erzählt, dass sie alleine drehen und schneiden musste. Denn als Regisseurin im Team mit vielen Männern zu arbeiten, mit Schauspielern und Kameraleuten, so etwas sei in Saudi-Arabien undenkbar. Al-Mansour durfte auch nicht immer überall dorthin gehen, wo sie gerne drehen wollte. Dennoch glaubt sie, dass sich die saudische Gesellschaft geändert hat, auch wenn das bisher vorwiegend nur eine kleine gebildete Elite betreffe.

Genau die lässt ihr letzter Film jedoch außen vor. "Frauen ohne Schatten" war international ein voller Erfolg, in Saudi-Arabien aber ein Skandal. Hier geht es eben nicht um jene emanzipierte Minderheit, sondern um die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung, die immer noch im Elend lebt.

Mansour erinnert sich daran, wie die Idee des Films entstanden ist. "Es ist schwierig, sich der Welt der saudischen Frauen zu nähern," sagt sie, "und die, die es versucht haben, sind von draußen gekommen. Ein Fernsehsender schickt uns zum Beispiel eine Regisseurin, die keine Ahnung von saudischer Kultur hat, die von Außen auf unser Leben guckt und einen Film darüber dreht."

Die Folge sei, so al-Mansour weiter, dass man in den Medien über die erste saudische Regisseurin oder die erste Chirurgin spreche, über schillernde – und dadurch auch leicht zugängliche - Erfolgsgeschichten eben, aber nicht über die "einfachen" Frauen, die keine Chance hatten, zu studieren oder eine Ausbildung zu machen.

Das Elend der Massen

Verschleierte Frau mit Videokamera
Modernste Technik trifft auf alte WerteBild: dpa - Bildarchiv

Sie aber wollte ein anderes Bild zeigen: Ein einheimisches Bild. "Frauen ohne Schatten" zeigt das tägliche Leben der ganz "normalen" Frauen. In Saudi-Arabien gilt noch immer: Frauen dürfen nicht Autofahren und nicht alleine reisen, um nur zwei Beispiele zu nennen . Al-Mansour begleitet sie zu Hause und auf der Straße, sie zeigt die Beschränkungen, denen sie unterworfen sind. Eine Frau erzählt zum Beispiel, wie sie einen Taxifahrer bestochen hat, damit er sich als ihr Vater ausgab und der ersehnten Hochzeit zustimmte.

"Die einfache Frau lebt im Elend," erzählt al-Mansour, "sie findet niemanden, der ihr zuhört, auch zu Hause nicht."

Letzten Endes ist "Frauen ohne Schatten" aber ein optimistischer Film. Er zeigt, wie sich die Einstellung der Gesellschaft über Generationen zum Besseren Verändert. Beispielsweise kommt der bekannte Scheich Aid al-Qorani zu Wort. Seine Wertvorstellungen ändern sich im Laufe des Films: So forderte er vor zehn Jahren noch, Frauen müssten voll verschleiert sein, also auch ihr Gesicht verhüllen. Mittlerweile akzeptiert er es, wenn Frauen nur ein Kopftuch tragen und arbeiten gehen.

Kaum aber dass "Frauen ohne Schatten" in Saudi-Arabien uraufgeführt wurde – es war eine kleine Privatvorstellung im französischen Konsulat in Riyadh – nahm der Scheich seine Äußerungen zurück. Im Film habe er sich an ein westliches Publikum gerichtet. Warum für saudi-arabische Frauen andere Standards gelten sollten, erklärte er indes nicht.

Autor: Mahmoud Tawfik/ Samar Henein

Redaktion: Michaela Paul