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Ratzeburg Porträt

9. Juni 2011

Hannelore Ratzeburg ist DFB-Vizepräsidentin und im Verband zuständig für Mädchen- und Frauenfußball. Torsten Ahles hat sich mit der engagierten Kämpferin vor dem WM-Beginn unterhalten.

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DFB Vizepraesidentin Hannelore Ratzeburg FIFA
DFB-Vize Hannelore RatzeburgBild: picture alliance/augenklick

DW-World.DE: Frau Ratzeburg, der Frauenfußball in Deutschland stößt in neue Dimensionen vor. Noch nie hat eine Weltmeisterschaft so großes öffentliches Interesse ausgelöst. Müssen sie sich manchmal kneifen, um das zu realisieren?

Nein, kneifen nicht. Im Gegenteil, die Zeit vergeht so schnell, dass ich das kaum genießen kann. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren es noch 1000 Tage bis zur WM und jetzt geht sie bald los. Und wenn sie dann erst begonnen hat, dann ist sie eigentlich auch fast schon wieder vorbei, weil wir dann natürlich einen dichten Terminkalender haben.

Was versprechen Sie sich von der WM in Deutschland?

Vor allem einen Schub in der Anerkennung des Frauenfußballs. Wir sind zwar schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich, aber jetzt haben die Spielerinnen einfach mal die Chance, ihr Können vor einem eigenen, größeren Publikum zu zeigen.

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft bei diesem Turnier zu?

Es ist die Frage, ob alle mit dieser Erwartungshaltung klarkommen. Ich hoffe, dass den Spielerinnen das weitestgehend egal ist und sie sich einfach sagen: hier sind wir zuhause, die Leute wollen uns sehen und wir gehen jetzt raus und zeigen denen, was wir können. Natürlich ist der Titel das Ziel, aber da sind eben auch noch 15 andere Mannschaften, die sich qualifiziert haben, und Brasilien oder die USA sind nicht die einzigen, die sich auch was ausrechnen.

Sie kämpfen ja schon seit den 70er-Jahren für die Entwicklung und Förderung des Frauenfußballs, hatten anfangs aber selbst Vorbehalte, die Sie überwinden mussten. Wie haben Sie das geschafft?

Nun ja, ich musste mir immer alles erkämpfen, da auch ich traditionell erzogen worden bin. So stand es bei uns beispielsweise gar nicht zur Diskussion, dass ich Abitur mache. Es hieß nur, dass ich ja

ein Mädchen sei und das nicht bräuchte, da ich ohnehin irgendwann heiraten würde. Ich habe es trotzdem gemacht. Genauso war es mit dem Sport. Der war bei uns zuhause generell kein Thema. Schon gar nicht Fußball. Dann aber ging Ende 1970 die Meldung durch die Medien, dass dieses Verbot für Frauen aufgehoben wurde, organisiert Fußball zu spielen. Und dann habe ich den Sport ausprobiert. Eigentlich habe ich es am Anfang nicht ernst genommen, aber dann hat das so einen Riesenspaß gemacht. Und als man einen dieser "Kümmerer" suchte, die alles zusammen halten und Schritte einleiten für die weitere Entwicklung, wurde ich halt Kümmerer.

Wie oft sind Sie heute noch mit diesem antiquierten Rollendenken konfrontiert?

Diese ganze Diskussion um die Quoten in der Wirtschaft hat mich schon sehr nachdenklich gemacht. Wenn ich sehe, wo Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern steht, was die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen bei Unternehmen betrifft, dann ist das erschreckend, wie verkrustet unsere Gesellschaft eigentlich ist. Und auf den Frauenfußball bezogen, frage ich mich immer, wie erfolgreich wir denn noch sein müssen? Wir sind sieben Mal Europameister, zwei Mal Weltmeister geworden und das seit 1989. Die einzige Kritik, die ich gelten lasse, ist, wenn jemand sagt, die Art und Weise wie Frauen Fußball spielen, gefalle ihm nicht. Es wird niemand gezwungen Frauenfußball gut zu finden.

Inwieweit ist da der aktuelle DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger ein Glücksfall für den deutschen Frauenfußball?

Alle Präsidenten, die ich erlebt habe, waren Förderer des Frauenfußballs. So hat Hermann Neuberger maßgeblich den Aufbau der Nationalmannschaft unterstützt und auch die Bewerbung für die Endrunde der Europameisterschaft 1989. Da war das Thema ja noch recht neu, aber Herr Neuberger war immer sehr mutig und hat gesagt, dass wir die nächsten Schritte machen sollen. Egidius Braun hat

dies fortgesetzt und auch Gerhard Mayer-Vorfelder. Theo Zwanziger schließlich konnte diese Entwicklung ja schon einige Zeit beobachten und hat erkannt, dass es im Frauen- und Mädchenfußball ein gewaltiges Potenzial gibt, das ja noch immer nicht ausgeschöpft ist. Er ist thematisch immer auf Ballhöhe und hat gute Ideen, es ist wunderbar, ihn an unserer Seite zu wissen.

Die Akzeptanz und der Stellenwert einer Sportart steht und fällt ja auch immer mit den Protagonisten. Wie wichtig sind da perspektivisch die jungen Spielerinnen wie Kim Kulig, Fatmire Bajramaj oder Simone Laudehr?

Sehr wichtig. Sie sind ja viel näher dran am Nachwuchs. Wenn man sieben oder acht Jahre alt ist, dann ist doch eine Spielerin, die dreißig ist, eine Oma. Das merke ich ja auch auf diversen Veranstaltungen. Bei jüngeren Nationalspielerinnen trauen sich die Kinder einfach eher, Fragen zu stellen oder um ein Autogramm zu bitten. Bei älteren Spielerinnen gibt es da doch wesentlich mehr Berührungsängste und der Respekt ist größer.


Trotz der aktuell großen Aufmerksamkeit, wie groß ist die Befürchtung, dass das öffentliche und mediale Interesse am Frauenfußball nach der WM doch wieder stark nachlässt?

Ich bin davon überzeugt, dass durch die WM eine noch größere Akzeptanz des Frauenfußballs erreicht wird. Diese gilt es dann zu nutzen um die Aufmerksamkeit auf den Spielbetrieb in den Frauen-Bundesligen zu richten. Dort spielen die Nationalspielerinnen und die Vereine können die Popularität ihrer Spielerinnen zur Eigenwerbung einsetzen.

Und wie sehen Ihre Planungen nach der WM aus? Geht es dann erst einmal in den Urlaub?

Zunächst müssen wir die Weltmeisterschaft ja noch nachbereiten in den verschiedenen Gremien und Ausschüssen, aber dann sind sicherlich ein paar Tage Urlaub notwendig. Nicht nur, weil alle Beteiligten ziemlich ausgepowert sein werden, sondern um auch einfach mal die Eindrücke und Erlebnisse sacken und wirken zu lassen – egal wie unsere Mannschaft letztlich bei diesem Turnier abschneidet. Und dann geht für uns alle wieder das normale Leben weiter.

Die Fragen stellte Torsten Ahles
Redaktion: Wolfgang van Kann