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Ein Schutzraum für 6500 Bergleute

16. Mai 2014

Nach dem verheerenden Grubenunglück im westtürkischen Soma werden Einzelheiten zu gravierenden Sicherheitsmängeln bekannt. In der Bevölkerung wächst der Zorn. In mehreren Städten gehen wieder Tausende auf die Straße.

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Frau sitzt vor einem frischen Grab (Foto:afp)
Bild: BULENT KILIC/AFP/Getty Images

Unter Tage müssen sich nach der Explosion in dem Kohlebergwerk in Soma entsetzliche Szenen abgespielt haben. Die Nachrichtenagentur Dogan berichtet, in der Zeche habe es für 6500 Kumpel nur einen fünf Quadratmeter großen Schutzraum gegeben. Rettungskräfte sprachen von einem furchtbaren Todeskampf eingeschlossener Kumpel. Nach ihren Angaben hatten 14 Kumpel in diesem kleinen Schutzraum Zuflucht gesucht. Sie hätten sich dort an den Masken abgewechselt, bis der Sauerstoff aufgebraucht gewesen sei. Dann seien sie erstickt. Die Retter fanden 14 Leichen übereinanderliegend.

Anti-Regierungsproteste gehen weiter

Angesichts solcher Informationen machen sich in der Bevölkerung zunehmend Zorn und Wut breit. Auch am Donnerstag gingen in der Hauptstadt Ankara, in Istanbul und im westtürkischen Izmir zehntausende Menschen auf die Straße. Die Demonstranten werfen der Regierung unter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor, die Sicherheitsmängel in den Bergwerken in der Türkei in Kauf genommen zu haben. "Kein Unfall, kein Schicksal, ein Massaker" stand auf einem Transparent von Protestierenden in Ankara. Teilnehmer forderten auch wieder den Rücktritt der Regierung.

Laut Oppositionspolitikern hatte Erdogans islamisch-konservative AKP im Parlament erst vor drei Wochen die Einsetzung eines Ausschusses zur Untersuchung der prekären Sicherheitslage in Kohlebergwerken abgeschmettert.

Demonstrantin mit einem Plakat: " Es war Mord, kein Unfall" (Foto rtr)
"Es war Mord, kein Unfall" steht auf dem PlakatBild: Reuters

Der Gewerkschaftsdachverband KESK rief zu einem unbefristeten Streik auf. Der KESK erklärte die Regierung zur "Schuldigen des Massakers von Soma". Zur größten Demonstration versammelten sich in Izmir 20.000 Gewerkschaftsmitglieder.

Doch noch bevor die Kundgebung begann, rückte die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas an und löste die Proteste gewaltsam auf. Der Chef der Gewerkschaft DISK, Kani Beko, wurde verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Auch in anderen Städten gingen die Sicherheitskräfte wieder mit Gewalt gegen Demonstranten vor.

Grubenunglück in der Türkei

Mindestens 90 Vermisste

Die Zahl der Toten des Bergwerk-Unglücks erhöhte sich am Donnerstag offiziell auf 284. Mindestens 90 Kumpel werden noch vermisst, die Bergungsmannschaften sind nach wie vor pausenlos im Einsatz. Gleichzeitig wurden in Soma die ersten toten Bergleute beerdigt (Artikelbild). Tausende Menschen versammelten sich auf dem Friedhof, wo lange Reihen mit Gräbern ausgehoben wurden. Auch hier erklärten Angehörige, es sei kein Unfall gewesen, sondern "Mord", weil Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten worden seien.

se/kle (dpa, afpe, ape, rtr)