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Ein schwarzer Tag

André Moeller14. November 2002

Dem Bundesfinanzminister droht Ärger von allen Seiten. Erhebliche Steuerausfälle, niedriges Wirtschaftswachstum und ein "Strafverfahren“ aus Brüssel: Das sind wahrlich keine guten Aussichten für Hans Eichel.

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Kein guter Tag für den FinanzministerBild: AP

Vor gar nicht allzu langer Zeit galt der deutsche Finanzminister Hans Eichel noch als politischer "Liebling der Nation". "Spar-Herkules" oder "Sparminator" wurde er genannt. Die 50 Milliarden Euro, die er dem Staatshaushalt durch die Versteigerung von UMTS-Lizenzen fast beiläufig bescherte, brachten dem Sozialdemokraten den Beinamen "Hans im Glück" ein.

Doch davon keine Spur mehr. Inzwischen sieht es so aus, als sei der Hüter der Bundesfinanzen vom Pech verfolgt. Gleich drei Hiobsbotschaften erreichten ihn aus In- und Ausland. EU-Kommission und die fünf deutschen Wirtschaftsweisen bescheinigten ihm, dass Deutschland auch kommendes Jahr die Euro-Stabilitätskriterien nicht schaffen wird.

Steuerausfälle in Milliardenhöhe

Und die jüngste Steuerschätzung ergab: 2002 und 2003 müssen Bund, Länder und Gemeinden mit Mindereinnahmen von insgesamt 37 Milliarden Euro rechnen. Der Bund und mehrere Länder werden wahrscheinlich Nachtragshaushalte verabschieden. Allein dieses Jahr wird der Minister einen Nachschlag von rund 15 Milliarden Euro benötigen, so die Prognose. Im nächsten Jahr werden dann voraussichtlich noch einmal 22 Milliarden in den Kassen fehlen. Das stellte der Arbeitskreis "Steuerschätzungen" in Dessau fest.

Der erhöhte Finanzbedarf könnte dazu führen, dass der Bundeshaushalt verfassungswidrig wird. Das ist dann der Fall, wenn der Finanzminister viel mehr neue Schulden macht, als er investiert. Die rot-grüne Mehrheit im Bundestag könnte den Nachtragshaushalt dann nur mit einem Trick verabschieden, der auch schon zu Zeiten des Ex-Kanzlers Helmut Kohl (CDU) gerne angewandt wurde. Der Bundestag müsste zuvor das "gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht" für gestört erklären.

Schlechtes Zeugnis

Als hätte die "Schuldenkeule" nicht hart genug getroffen, legte der Sachverständigenrat der "Fünf Wirtschaftsweisen" noch nach: Er stellte der Bundesregierung ein vernichtendes wirtschaftspolitisches Zeugnis aus.

In ihrem "Herbstgutachten zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" gehen die Sachverständigen für 2002 nur noch von einem Wachstum von 0,2 Prozent und für 2003 von 1,0 Prozent aus. Schuld daran seien nicht die allgemeine Konjunktur oder gar die Weltwirtschaft, sondern vor allem die Politik, lautet die deutliche Kritik der "Fünf Weisen". Unzureichende und falschen Weichenstellungen auf dem Arbeitsmarkt, im System der Sozialen Sicherung und dem Steuersystem seien für die Flaute verantwortlich.

Strafverfahren eingeleitet

Mit 4,17 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt werde sich an den Rahmenbedingungen auch im nächsten Jahr nicht viel ändern, stellt das Herbstgutachten weiter fest. Die Folge: Das Staatsdefizit könnte dauerhaft über der im Europäischen Stabilitätspakt festgelegten Drei-Prozent-Grenze liegen. Der Sachverständigenrat geht von 3,7 Prozent (2002) und 3,3 Prozent (2003) aus.

Ähnlich sieht es offenbar die EU-Kommission. Dort rechnet man für das Jahr 2002 offiziell mit einem deutschen Defizit von 3,8 Prozent im Jahr 2002 und von 3,1 Prozent im nächsten Jahr. Das teilte Währungskommissar Pedro Solbes bei der Vorstellung des EU-Wirtschaftsgutachtens mit. Unterdessen hofft Finanzminister Eichel nach eigenen Angaben noch, dass er die Neuverschuldung in 2003 wieder unter die Drei-Prozent-Grenze drücken kann. Inzwischen wurde ein Defizitverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Im Extremfall kann das zu Geldbußen in Milliardenhöhe führen. Solche Sanktionen bezeichnet allerdings auch Solbes als unwahrscheinlich.