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Ein Shangri-la um jeden Preis

Patrick Tippelt24. Oktober 2005

Im idyllischen Norden Thailands wird gut an Touristen verdient. Das soll auch so bleiben, mit Hilfe einer haarsträubenden Kampagne. Ein Ausflug nach Pai.

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Dichte Regenwälder, anmutige Reisfelder und wilde Flüsse – ein Thailand wie es viele Touristen nicht zu Gesicht bekommen. Denn die düsen von Bangkok nach Samui oder gleich per Charterflug nach Phuket, wo Thailand nicht mehr als ein Pauschalparadies offeriert, mit weissen Stränden und Wiener Schnitzel. Der Norden Thailands gilt noch immer als Geheimtipp für Reisende. In den Wintermonaten ist es im bergigen Norden oft so frisch, dass man die Nächte unter dicken Decken verbringt.

Ein idyllisches Bergdorf hat sich in den letzten Jahren zum Lieblingsort der Indivualreisenden gemausert. Nahe der burmesischen Grenze übt Pai eine solche Magie auf viele Urlauber aus, dass nicht wenige von ihnen sich hier niederlassen, um ein kleines Gasthaus zu eröffnen. Es locken lange Trecks, Wildwasser-Rafting und Elefantenritte. Die Hauptattraktion sind Ausflüge zu den Hügelstämmen, wie zu den Karen-Dörfern, in denen Frauen ihre Hälse durch Goldreifen strecken.

Natürlich glaubt kaum ein Tourist, dass er kulturell reines Terrain betritt – unmöglich im heutigen Thailand. Satelitenschüsseln werden in den Hügelstamm-Dörfern nicht mehr versteckt. Den Touristen wird keine Shangri-la-ähnliche Utopie vorgegaukelt.

Grundstücksboom dank Tsunami

Pai wächst. In den letzten vier Jahren gesellten sich mehr als 7000 Menschen zu den 3000 eigentlichen Einwohnern hinzu. Der Touristenboom lockt Investoren an. Mehr als 200 Kleinunternehmen verdienen am Urlaubergeld. Viele Dörfler verkaufen ihre Reisfelder für 2000 Euro pro rai (1600qm), Clevere handeln das zehnfache aus. Viele der Käufer sind Spekulanten, die nicht mehr in den Süden Thailands investieren mögen – wer weiss, wann der nächste Tsunami kommt? Auch westliche Ausländer und prominente Bangkoker steigen in das Geschäft ein, oder kaufen sich ein Domizil für den Lebensabend.

Die Provinz, in der Pai liegt, Mae Hong Son, verdient nicht schlecht an diesem Boom. Mehr als 24 Millionen Euro gaben Touristen in der Gegend 2004 aus. Deshalb hilft die Provinzregierung dem Geschäft gerne nach: die Straβe aus Chiang Mai, Thailands zweitgröβter Stadt, wird gerade vierspurig ausgebaut. Drei Flüge täglich gibt es von Bangkok in die Provinzhauptstadt, 70 Kilometer von Pai.

Der neue Weg Thailands

Auch die Bewohner Pais richten sich mittlerweile ganz nach den Wünschen der Touristen. Das ganze Dorf scheint Englischunterricht zu nehmen. Neu errichtete Spas werben Masseusen aus Bangkok ab. Viele Dörfler bauen ihre Häuser in Pensionen um. Und langsam geht Pai den Weg Thailands – weg von den jungen Rucksacktouristen, die kein Geld bringen, dafür aber Alkohol und Drogen, hin zu den ruhigen Reichen. Die erste 5-Sterne-Anlage wurde Anfang 2005 eröffnet. Stolze 300 Euro kostet hier die Nacht in einer Suite über dem Fluss.

Anfang Juli zerstörten Überflutungen und Erdrutsche Hotels, Restaurants und Tempel. Elf Menschen kamen ums Leben, der Schaden belief sich auf zehn Millionen Euro. Drei Monate später ist fast alles wieder aufgebaut, pünktlich zu Beginn der Hochsaison. Der Touristenboom hatte Mitschuld am Ausmaβ der Überflutungen: Baustellen hatten das Kanalsystem blockiert; die rasante Abholzung führte zu den Erdrutschen. Der Fremdenverkehrsverband in Pai will die Einwohner des Dorfes über die Erhaltung natürlicher Ressourcen aufklären, um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern.

Von der Provinzregierung wird es dafür vorerst kein Geld geben. Mae Hong Sons Gouverneur gab jüngst bekannt, dass er die Provinz zu einem „Traum und himmlischen Ort auf Erden“ entwickeln wolle. Öko-Tourismus sei vorbildlich, aber man solle keinen Urlauber vor den Kopf stoβen. Es sollten mehr Spas gebaut werden und mehr Straβen. Und um die traditionsreiche und geldbringende Kultur der Hügelstämme zu erhalten, lässt er ab Dezember eine Kampagne anlaufen, die alle Einwohner der Provinz dazu anhält, traditionelle ethnische Trachten zu tragen, wie vor 100 Jahren. Man muss halt gewisse Schwerpunkte setzen.