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Ein untrügliches Zeichen der Normalität

24. Dezember 2001

Ordnungshüter in Washington müssen auf der Hut sein, damit sie nicht in ihre eigenen Fallen tappen. Beobachtungen von DW-TV-Korrespondent Eckhard Tollkühn.

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Nichts wird wieder so sein wie früher, hörte man unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September. Nun, ganz so dramatisch ist es nicht. Das merkt man schon daran, dass die Polizei wieder hinter Büschen lauert und eifrig Radarfallen stellt. Ein untrügliches Zeichen der Normalität. Bei der Jagd auf überschnelle Verkehrssünder hat die Washingtoner Polizei neuerdings Verstärkung aus dem High-Tech-Sektor bekommen.

Seit August wurden "Starenkästen" in der amerikanischen Hauptstadt eingeführt. Die unbeliebten Kameras an Verkehrskreuzungen sind deutsche Importware, denn in Dingen der Sicherheits- und Fahndungstechnologie war Deutschland den anderen schon immer eine Spürnase voraus. Die technische Unterstützung kommt den amerikanischen Cops wie gerufen, sollte man meinen. Weit gefehlt. Denn auch die Polizeiautos – auf der Jagd nach dem Täter oft mit mehr als 80 Sachen unterwegs – werden gnadenlos vom Auge des Gesetzes erfaßt. "Na und", wird da der rational Denkende einwerfen, "aber doch wohl ohne Konsequenzen." Wieder weit gefehlt.

Polizisten in Washington, die gegen die Tempolitmits verstoßen oder mit Rotlicht bei rot über die Ampel fahren, müssen sich ebenso vor Gericht rechtfertigen wie jeder andere Bürger. Und – jetzt wird es albern – viele von ihnen werden zu einer Geldstrafe verdonnert. Es sei denn sie hätten vor der "Straftat" Formular Nr.775 ausgefüllt. Mit dem fallen sie automatisch unter den "Code One"-Notfall-Fall, der sie berechtigt, gegen die Verkehrsregeln zu verstoßen. Eine Maßnahme der Bürokraten, um den Mißbrauch mit Dienstwagen zu vermeiden. Sicher eine wohlmeinende Absicht, aber hochgradig unrealistisch. Denn es ist sicher im Interesse eines sich in Gefahr befindlichen Bürgers, wenn die Polizei schnellstmöglich zuhilfe eilt, statt erstmal den Amtsschimmel zu reiten und ellenlange Formulare auszufüllen.

Wegen der "Crazy Tickets" sind einige Polizeibeamte nicht mehr bereit, nach einem Notruf schneller zu fahren als die Polizei erlaubt, klagt Gerald Neill, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft. "Denn sie haben nicht nur die Notsituation im Kopf, sondern auch die hundert oder zweihundert Dollar, die sie aus eigener Tasche bezahlen müssen."

Um diese unmögliche Situation zu entschärfen, verhandeln jetzt Polizeigewerkschafter mit dem Bürgermeister. Hoffentlich mit Höchstgeschwindigkeit, damit die Washingtonians endlich wieder in Ruhe schlafen können.