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Gaddafi ICC Haftbefehl

27. Juni 2011

Der libysche Machthaber Gaddafi ist das zweite amtierende Staatsoberhaupt, gegen das der internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlässt. Der könnte auch politische Wirkung entfalten, meint Daniel Scheschkewitz.

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Die Entscheidung des Haager Gerichts ist konsequent und ein Sieg für die Menschenrechte. Mitte Mai hatte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, den Haftbefehl beantragt. Moreno-Ocampo führte unter anderem Beweise dafür an, dass Gaddafi persönlich Angriffe auf unbewaffnete Zivilisten angeordnet habe. Das Regime von Machthaber Muammar al-Gaddafi, so ermittelte es der Chefankläger, hat an verschiedenen Orten systematisch auf friedlich protestierende Demonstranten schießen lassen. Verhaftungen, Folter bis hin zu Mord gehörten offenbar über Jahre hinweg zu den Mitteln seines Machterhalts.

Ob auch Massenvergewaltigungen, die als monströser Vorwurf gegen das System Gaddafi ebenfalls im Raum standen, zu der despotischen Handschrift seines Regimes gehörten, ist noch offen. Dafür haben Menschenrechtsorganisationen bisher keine schlüssigen Beweise finden können. Und dennoch: Die belegbaren Vorwürfe gegen Gaddafi und seine engsten Vertrauten basieren auf der Auswertung von über 1200 Akten und der Vernehmung von mehr als 50 Zeugen. Das dürfte eine Verurteilung des selbst ernannten Revolutionsführers nach gültigen internationalen Rechtsnormen möglich werden lassen.

Druck auf Gaddafi wächst

Daniel Scheschkewitz (Foto: DW)
Daniel ScheschkewitzBild: DW

Wenn es denn jemals zu einem solchen Verfahren kommt. Denn politisch wirksam wird der Haftbefehl nur, wenn die Rebellen gewinnen. Seit fast drei Jahren besteht ein Haftbefehl des Strafgerichtshofs wegen Völkermords gegen den sudanesischen Präsidenten al-Baschir. Der ist aber immer noch an der Macht. Mit dem internationalen Haftbefehl wächst jedoch der Druck auf Gaddafi, Tripolis zu verlassen. Er nährt die Hoffnung, dass sein System, das inzwischen alle Anzeichen von Erosion aufweist, nun vollends zusammenbricht. Wie es scheint, bereiten die Rebellen die entscheidende Schlacht um Tripolis bereits vor.

Begrenzte Fluchtwege

Gaddafis mögliche Fluchtwege ins Ausland haben sich durch die Entscheidung des Haager Gerichts weiter verengt. Die Zahl der Länder, die ihn aufnehmen würden und in denen er vor der internationalen Strafverfolgung geschützt wäre, ist überschaubar geworden. Uganda beispielsweise, wo Gaddafi über zahlreiche Besitztümer und gute Kontakte verfügt, fällt als mögliches Exil aus, weil das Land mit dem Strafgerichtshof zusammenarbeitet.

Anders verhält es sich mit dem Sudan, einem Nachbarland Libyens, aus dem Gaddafi reihenweise Söldner rekrutiert und in das er sich absetzen könnte, ohne dass der Haftbefehl für die Dauer seiner Flucht ausgesetzt werden müsste. Wo immer es Gaddafi und seine engsten Vertrauten auch hinziehen mag, vor einem sollten sich die Länder der internationalen Militärkoalition gegen Gaddafi hüten: ein Exil für ihn zu wählen, das ihn vor einem Verfahren am Internationalen Strafgerichtshof schützt. Dann stünde die ohnehin strapazierte Glaubwürdigkeit des Westens erneut auf dem Spiel.

Prozess als Lehrstück

Ein Verfahren vor dem Haager Gericht wäre auch für das postrevolutionäre Libyen das Beste. Es könnte das Land vor Lynchjustiz und Bürgerkrieg bewahren. Eine rechtsstaatliche Aufarbeitung seiner Verbrechen, und sei es im Ausland, wäre für das Land und seine demokratische Entwicklung sicherlich gewinnbringender als ein politischer Schauprozess. In Den Haag würde Gaddafi für seine Menschenrechtsverstöße mit den Mitteln des Rechtsstaates zur Rechenschaft gezogen. Statt Rache würden seriöse Recherche und das Völkerrecht zu einer gerechten Strafe führen. Dies wäre ein Signal an alle Tyrannen dieser Welt und könnte dem befreiten Libyen dereinst als Lehrstück dienen.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Volker Wagener