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Ein wichtiger Meilenstein

Fabian Schmidt22. Januar 2002

Bosnien wird vorausichtlich noch in diesem Jahr Mitglied des Europarats. Am Dienstag (22.01.2002) befürwortete die Parlamentarische Versammlung des Europarats die Aufnahme. Ein Kommentar von Fabian Schmidt.

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Die Aufnahme Bosnien-Herzegowinas in den Europarat bedeutet für die sozialdemokratische Regierung von Premierminister Zlatko Lagumdzija einen wichtigen Meilenstein. Sie ist ein Gütesiegel für den erfolgreichen Aufbau demokratischer Institutionen und für die Verbesserung der Menschenrechtssituation seit dem Ende des Krieges vor sechs Jahren.

Diese Entscheidung ist aber auch eine Verpflichtung an die Politiker in allen Gebieten Bosniens und der Herzegowina: Sie müssen unabhängige demokratische Institutionen weiterhin stärken, die Unabhängigkeit der Justiz verteidigen und die Gesetzgebung mit europäischen Normen in Einklang bringen.

Der Weg zur Aufnahme war lang und schwierig, die Grundbedingungen für Demokratisierung nach dem Krieg waren schlecht. Auch nach dem Friedensabkommen von Dayton dominierten weiterhin nationalistische Eliten das Land und behinderten lange Zeit die Flüchtlingsrückkehr. Rückkehrer wurden in vielen Gebieten noch Jahre nach dem Krieg vom nationalistischen Mob angegriffen und die meisten erhielten anfangs keine oder kaum Unterstützung ihrer Gemeinden bei der Suche nach Arbeit, bei der Registrierung von eigenen Betrieben oder bei der Suche nach Schulen für ihre Kinder.

Eine Besserung zeichnete sich erst ab als der hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft (OHR) Wolfgang Petritsch Ende der 90er Jahre begann, nationalistische Scharfmacher, die die Umsetzung des Dayton Abkommens auf lokaler Ebene torpedierten, konsequent aus ihren Ämtern zu entfernen. Parallel dazu führte die von Petritsch forcierte Rückübertragung enteignetem Besitzes zu einer Beschleunigung der Flüchtlingsrückkehr.

Gründe für die Verzögerung der Aufnahme Bosniens in den Europarat lagen aber auch in der Nachkriegsordnung selbst begründet: Um Multiethnizität in der Legislative zu gewährleisten, hatte die OSZE ein Wahlrecht gefördert, welches einen ethnischen Schlüssel enthielt. Das passive Wahlrecht wurde an die Volkszugehörigkeit des Kandidaten geknüpft. Dadurch wurden alle jene Bürger diskriminiert, die sich keiner der drei großen Ethnien - Muslime, Serben und Kroaten - zuordnen wollten. Erst die Verabschiedung eines neuen Wahlrechts im letzten Jahr löste diesen Konflikt. Auch die Zusammenarbeit lokaler Behörden mit dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag lies lange zu wünschen übrig.

Die Aufnahme im Europarat markiert also nur einen Meilenstein in einem langwierigen Reformprozess, an dessen Ende eine funktionierende und stabile Demokratie stehen soll. Um dies zu erreichen, stehen die Parlamentarier nun vor einem Berg von Gesetzesinitiativen, die sie im Laufe eines Jahres verabschieden müssen. Gemessen wird Bosnien aber letztlich an der praktischen Umsetzung der Reformen. Denn nur wenn Bosnien und Herzegowina ein Staat wird, in dem alle Bürger überall gleiche Rechte genießen, wird er sich seiner Mitgliedschaft im Europarat als würdig erweisen.

Und was für die Bürger besonders wichtig ist: Durch die Mitgliedschaft ihres Landes im Europarat erhalten sie die Möglichkeit, ihre Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg durchzusetzen. Dies bietet den wohl stärksten Schutz gegen die Willkür der Behörden - und das ist in Bosnien-Herzegowina nach wie vor ein großes Problem.