Wunderschöner Boom
17. Dezember 2010Während in vielen europäischen Ländern Katerstimmung herrscht, weil die Schulden drücken und die Wirtschaft lahmt, sind die deutschen Führungskräfte bester Laune. Genaugenommen waren sie so gut drauf, wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Das zeigte der am Freitag (17.12.2010) vorgestellte Geschäftsklimaindex, des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo). Seit sieben Monaten ist er ständig gestiegen und erreichte im Dezember den höchsten Stand seit Beginn der gesamtdeutschen Statistik 1991. Viele Experten hatten dagegen wie schon in den Vormonaten mit einer leichten Eintrübung gerechnet, die aber erneut ausblieb.
"Im gesamten Jahresverlauf 2010 ist der Geschäftsklimaindex rasant gestiegen", sagte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. "Nach dem Anstieg des Exports waren für den Aufschwung vor allem die Investitionen verantwortlich." Auch würde sich eine Verbesserung des Konsums abzeichnen. Das veranlasst Sinn von einem "wunderschönen Boom" zu schwärmen. "So was Schönes hatten wir nun 20 Jahre nicht. Seien wir froh, dass wir uns abkoppeln können vom Rest Europas, wo ja Flaute herrscht."
Verbraucher heben die Laune
In der Befragung des ifo-Instituts gaben 7000 Manager an, die Aussichten für die kommenden sechs Monate sowie die Geschäftslage besser als zuletzt einzuschätzen. Erfreut sind sie vor allem über die Verbraucher: Im Einzelhandel läuft das Geschäft so gut wie seit dem Wiedervereinigungsboom nicht mehr. Auch im Großhandel und bei den Dienstleistern ist man positiver gestimmt, dagegen trübte sich das Geschäftsklima in Industrie und Bauwirtschaft etwas ein.
Die Industrieunternehmen haben zwar nicht mehr ganz so große Erwartungen an das neue Jahr, sehen ihre Geschäftslage aber genauso gut wie im November, erklärte das ifo-Institut. Nur beim Export rechneten sie wieder mit etwas stärkeren Impulsen. Und sie planen, zusätzliches Personal einzustellen.
Euro-Krise kaum Einfluss
Und die Euro-Krise? Davon ließ man sich in den Führungsetagen nicht die Laune vermiesen. "Die Industrie empfindet die Schuldenkrise zugleich nicht als Belastung, weil Irland und Griechenland als Absatzmärkte kaum eine Rolle spielen", erklärt DekaBank-Analyst Andreas Scheuerle.
Bei der Helababank rechnet man allerdings damit, dass die gegenwärtige Euphorie nicht dauerhaft sein wird. Ralf Umlauf erwartet seit längerem eine Abschwächung der konjunkturellen Dynamik. Auch wenn sie sich bislang nicht eingestellt habe, "die dem Ifo-Geschäftsklima vorauslaufenden Indikatoren zeigen dies aber unvermindert an, so dass wir grundsätzlich an dem Szenario einer Wachstumsverlangsamung festhalten."
Losgekoppelt von Europa
Indikatoren hin oder her - bislang legte die deutsche Wirtschaft ordentlich zu: Im dritten Quartal wuchs sie um 0,7 Prozent und damit fast doppelt so schnell wie die Eurozone mit 0,4 Prozent. Im Schlussquartal wird ein ähnlich hohes Tempo erwartet. Die Bundesregierung glaubt, das am Ende das Wachstum in diesem Jahr bei 3,4 Prozent liegen wird, sich dann im kommenden Jahr zwar abschwächt, die Wirtschaft aber immer noch um 1,8 Prozent zulegt.
Das ifo-Institut bittet monatlich ca. 7000 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Großhandels und des Einzelhandels, ihre gegenwärtige
Geschäftslage zu beurteilen und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate mitzuteilen. Die Unternehmen können ihre Lage mit "gut", "befriedigend" oder "schlecht" und ihre Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate als "günstiger", "gleich bleibend" oder "ungünstiger" kennzeichnen. Daraus ermitteln die Experten beim ifo-Institut die Stimmung der Unternehmen.
Autor: Insa Wrede
Redaktion: Klaus Ulrich