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Eine Brücke zwischen Europa und der arabischen Welt

Sigrid Dethloff / Ingun Arnold22. Februar 2004

Malta spricht (mindestens) zwei Sprachen: "Malti" im Privaten, Englisch im öffentlichen Leben. Italienisch ist den Menschen auch nicht wirklich fremd. Wie halten es die Malteser also mit ihrer "Muttersprache"?

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Malta: <br>Inselstaat zwischen den KulturenBild: dpa

Eine kleine Bar auf Malta. Parkwächter Luciano sitzt beim morgendlichen Capuccino und plaudert mit dem Wirt. Wenn Luciano im Dienst ist, auf dem Hotelparkplatz gleich nebenan, dann spricht auch er fließend Englisch. Aber unter seinesgleichen, beim Plausch unter Maltesern, da genießt er es "Malti" zu sprechen, die Sprache seiner Eltern und Großeltern, die Sprache seiner Alltagssorgen und in der er träumt. "Ich bin so stolz, wenn ich maltesisch spreche", sagt Luciano, "nicht einmal die Amerikaner haben eine eigene Sprache. Die sprechen englisch."

Malti - ein Kuriosum unter den Sprachen

Wie alt die maltesische Sprache ist, das wissen nicht einmal die Sprachwissenschaftler genau. Das "Malti“ hat seine Wurzeln wahrscheinlich in der Sprache der Phönizier, es ist dem Arabischen recht ähnlich und wird mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Darin spiegelt sich Maltas wechselvolle Geschichte: Die ältesten Inschriften, die auf Malta gefunden wurden, sind phönizisch und mehr als zweieinhalbtausend Jahre alt. Im Jahr 870 wird die Inselgruppe von den Arabern erobert. Sie beeinflussen in der Folgezeit Aussprache, Grammatik und Wortschatz des "Malti“ - bis Malta 1530 an den katholischen Johanniterorden "verschenkt“ wird. Die einflussreichsten Ritter kommen aus dem romanischsprachigen Europa. Das Italienische gewinnt immer mehr an Einfluss.

1814 wechseln abermals die "Herren“: Malta wird englische Kolonie. Kurzerhand erklären die Engländer ihre Sprache zur offiziellen Landessprache. Lediglich die Oberschicht spricht weiterhin Italienisch. Erst 100 Jahre später wird der "Sprachenstreit“ entschieden: Italienisch verliert - zugunsten des „Malti“. Überraschenderweise fördern die englischen Kolonialherren die uralte maltesische Sprache. Sie führen das lateinische Alphabet auf Malta ein. 1924 werden verbindliche Rechtschreibregeln festgelegt. Zehn Jahre später sind Englisch und "Malti“ offizielle Amtssprachen der Inselgruppe. Das Italienische gerät endgültig ins Hintertreffen, ohne jedoch aus dem Alltag zu verschwinden. Heutzutage erfreut sich zum Beispiel das italienische Fernsehprogramm großer Beliebtheit auf Malta - selbstredend ohne Untertitel.

Sprachlicher Zwiespalt

Malta zählt rund 380.000 Einwohner. Hinzu kommen schätzungsweise noch etwa eineinhalb Millionen Auswanderer rund um den Globus. Für viele ist ihre Muttersprache ein Identifikationssymbol. Doch was in New York oder Köln die Exilanten zusammenschweißt, gilt in der Heimat mancherorts nicht mehr soviel. Am 1. Mai 2004 soll die Insel mit ins Boot der EU einsteigen. Dort wird vor allem Englisch gesprochen und verstanden, argumentieren viele Malteser. Deshalb sprechen viele Eltern - vor allem die des „Bildungsbürgertums“ - auch zu Hause nur Englisch, schicken ihre Kinder erst auf teure englischsprachige Privatschulen und danach zum Studium nach Großbritannien. Maltesisch lernen die Kinder in der Schule - wie eine ganz normale Fremdsprache.

Dagegen meint der maltesische Dichter und Literatur-Professor Oliver Friggieri, dass die maltesische Muttersprache unersetzlich sei. Dennoch doziert auch er vor seinen Studenten nur auf Englisch. Aber er ist sich sicher, dass die Malteser ihre Sprache nicht aufgeben werden. Die Sprache verändere sich so stark wie in kaum einem anderen europäischen Land. "Was man absehen kann, ist, dass sich daraus letztendlich ein ganz neuer Sprachenkomplex herausbilden wird. Eine Sprache, die halb maltesisch, halb englisch ist", sagt Friggeri.

Lebendiger interkultureller Dialog

Die maltesischen Wurzeln zu pflegen, sieht der Professor als Pflicht nicht nur der Literaten, sondern auch der Politiker, Lehrer oder auch Journalisten an: Maltesisch könne nämlich auch eine große Chance für Europa bedeuten. Die EU könne eine Sprache dazu gewinnen, die ganz neue Dialogmöglichkeiten eröffne. Das zu akzeptieren, fällt manchem Sprachwissenschaftler mit historisch-kritischen Ambitionen nicht leicht: Das kleine erzkatholische Malta hat im 16. Jahrhundert unter größten Opfern dem türkischen Sultan die Stirn geboten und damit Europa vor einer - wie es im Duktus der damaligen Geschichtsschreibung heißt - "Invasion des Islam“ bewahrt.

Ausgerechnet die Nationalsprache dieses für das Selbstverständnis des alten Europas so wichtigen Landes soll verwandt sein mit dem Arabischen?! Das Wort für Gott ist tatsächlich "Alla"?! Die maltesische Sprache ist nicht nur für die Hardliner unter den Sprachwissenschaftlern eine Herausforderung. "Maltesisch ist die einzige semitische Sprache, die in lateinischen Buchstaben geschrieben wird. Diese Kombination ist etwas Einmaliges, das Malta dem Kontinent anbieten kann", sagt Friggeri. "Es kann eine Brücke zwischen der arabischen Welt und Europa sein."

Malteser Orden
Wappen des Malteser Orden und des Malteser Hilfsdienstes
Galerie EU Erweiterung Malta - Valletta
Bild: dpa