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Eine deutsche Krankheit: <br>die Kommissionitis

Marcel Fürstenau3. Oktober 2003

Kluge Köpfe erstellen im Auftrag der Politiker immer mehr voluminöse Handlungsanleitungen. Nur: befolgt werden sie immer seltener.

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Schon mal was von Hartz-Kommission gehört? Sehen Sie! 'Hartz‘ ist nämlich nur ein anderes Wort für die etwas sperrige Bezeichnung 'Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt‘. Hartz, das ist der Mensch von VW, der vor mittlerweile einem Jahr im Auftrag der Bundesregierung einen Bericht vorgelegt hat, in dem drinsteht, wie die deutsche Wirtschaft wieder auf Touren kommt. Und wie das leidige Problem mit der Arbeitslosigkeit endlich gelöst wird.

Empfehlungen, die nicht befolgt werden

Früher wurden solche Berichte von Fachleuten im stillen Kämmerlein ausgearbeitet. Politiker haben die Handlungsanleitungen dann befolgt – oder auch nicht. Heutzutage werden sie eigentlich nie befolgt. Das ist der zweite Unterschied zu früher. Trotzdem werden die Kommissions-Ergebnisse in einer merkwürdig feierlich anmutenden Zeremonie denen überreicht, die den Auftrag erteilt haben. Die halten dann zwar was in den Händen, denken aber gar nicht daran, sich danach zu richten. Denn sie wissen schon in diesem Moment, daß die Widersacher in den anderen Parteien, aber auch in den eigenen Reihen so lange an dem Bericht herumnörgeln, bis vom Original kaum noch was übrig ist.

Vor ein paar Tagen beispielsweise wurde in der Berliner CDU-Zentrale der Bericht der Kommission 'Soziale Sicherheit‘ abgeliefert. Empfängerin war die Partei-Vorsitzende Angela Merkel. Überbringer war ein gewisser Roman Herzog. Der war bis 1999 Bundespräsident und machte nun das, was sein Vorgänger Richard von Weizsäcker auch schon getan hatte: er leitete eine Kommission. Von Weizsäcker gab Ratschläge, wie man mit immer weniger Geld immer mehr Krisen und Kriege bewältigen kann. In derlei zugespitzten Situationen ist dann meistens von Umbau die Rede. So verhält es sich auch im Falle der Herzog-Kommission. Es geht nämlich um den Umbau der 'Sozialen Sicherungs-Systeme‘.

'Professoren-Geschwätz'

Aber egal, um welchen Umbau es gerade geht, die eigentlich dafür gewählten Volksvertreter oder ernannten Minister sind entweder überfordert oder werden gar nicht erst gefragt. Das ist ärgerlich, wäre aber nicht weiter schlimm, wenn die Kommissions-Berichte denn auch zu nennenswerten Erfolgen führen würden. Doch davon kann nun wirklich keine Rede sein. Die Bilanz der Kommission 'Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt‘, Sie wissen schon: Hartz!, also die Bilanz nach einem Jahr ist niederschmetternd: Die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen. Von Wirtschaftswachstum auch keine Spur. Die Sozial-Systeme stehen vor dem Kollaps.

Schuld sind aber, wie gesagt, nicht die Herren Hartz, von Weizsäcker, Herzog oder wie auch immer die Kommissionsleiter heißen. Schuld sind feige Politiker, die mehr an sich, ihre Macht und ihre Wiederwahl denken. Mutig sind die nur dann, wenn es darum geht, die in den Kommissions-Berichten formulierten Zumutungen abzutun. Kanzler Schröder spricht dann schon mal ganz gerne von 'Professoren-Geschwätz‘. Gemeint war die Rürup-Kommission, die hier natürlich nicht unerwähnt bleiben darf. Was da drin stand, habe ich leider vergessen. So wichtig kann es wohl nicht gewesen sein.