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Politik

Friedliche Waffe der Demokratie

21. April 2017

Vor 50 Jahren putschte das Militär in Griechenland. Nach der gewaltsamen Machtübernahme folgten sieben Jahre Diktatur. Die Deutsche Welle spielte in dieser Zeit eine ganz besondere Rolle.

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Griechenland Junta Militärdiktatur
Bild: picture alliance/AP Photo

Am Morgen des 21. April 1967 rollen Panzer ins Zentrum von Athen. Dieser Tag wird als der Tag des Obristenputsches in die griechische Geschichte eingehen. Ein kleiner Trupp von Verschwörern um Oberst Papadopoulos putscht sich an die Macht im Königreich Griechenland und wird dem Land eine siebenjährige Diktatur aufzwingen. Die Putschisten fürchteten die bevorstehenden Neuwahlen, die die politische Zentrumspartei im Machtkampf gegen den König gesetzt hatte. Also schafften sie Fakten: Noch am Tag des Putsches werden Tausende vor allem linke Oppositionelle verhaftet. Später flieht auch der König ins Exil.

Zensur und Gleichschaltung des öffentlichen Lebens, Bespitzelung und Angst prägen nun das Leben der Menschen im Land, in dem einmal die Demokratie geboren wurde. Die einzigen freien Informationsquellen für das geknebelte Volk sind Auslandssender - zunächst waren es BBC, Radio France oder Radio Bukarest.

Griechenland Militärdiktatur Dimitrios Joannides und Georgios Papadopoulos
Die Köpfe der Diktatur: Der Chef der Militärpolizei, Dimitrios Joannides (r), und Diktator Georgios Papadopoulos (l)Bild: picture-alliance/dpa

Die Stunde der Deutschen Welle

Die Deutsche Welle war zuerst weniger bekannt. Als der Putsch passiert, ist der deutsche Sender gerade erst seit drei Jahren auf Kurzwelle zu hören. Das 1964 gestartete Programm versucht sich zunächst nicht in die griechische Innenpolitik einzumischen. 1969 trifft aber der damals neue Intendant Walter Steigner zusammen mit einem kleinen Team engagierter griechischer Journalisten eine andere Entscheidung und verleiht dem eher faden Programm für die Griechen einen deutlich regimekritischen Charakter. Damit stellt sich die Deutsche Welle klar auf die Seite derer, die für Demokratie und Freiheit in Griechenland kämpfen.

Die Rolle der DW während der griechischen Diktatur

Das medienpolitische Experiment für die Griechen gelingt. Ausgerechnet aus dem früheren Land der Täter kommt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Generation mit der "Stimme der Freiheit" - und sie erobert trotz Hörverbots die griechischen Haushalte. "Ich war noch ein kleiner Junge", erinnert sich heute der beliebte Kabarettist Lakis Lazopoulos. "Die gesamte Nachbarschaft ließ sich damals die Haare von einem alten Frisör schneiden, der seinen Beruf in seiner Wohnung ausübte. Eines Abends ging ich hin zum Haareschneiden. Doch der alte Mann schickte mich weg. Er sagte: Ich kann jetzt nicht, ich muss die Deutsche Welle hören. Was ist die Deutsche Welle?, fragte ich. Die Deutsche Welle ist die, die uns die Wahrheit erzählt, sagte er schlicht." An diesem Abend verstand Lazopoulos, dass in Griechenland die Obristen an der Macht waren. Und seither schaltete er selbst täglich um 21.40 Uhr das Radio an, um über Kurzwelle das Programm aus Deutschland zu hören - wie schätzungsweise drei Millionen andere Griechen.

Klare Worte auf Kurzwelle

Das Griechische Programm berichtete umfassend über die Aktivitäten des Widerstands, der sich im Ausland formierte. Die Menschen erfuhren zum ersten Mal vom Schicksal der Widerstandskämpfer in Griechenland - von Verhaftungen und Folter. Über ein weit gespanntes Netz von Informanten sammelte und verbreitete die Griechische Redaktion alle wichtigen Meldungen, die unter die Zensur der Obristen fielen. Keine leichte Aufgabe. Denn die damalige Redaktion musste eine Gratwanderung vollziehen. Sie balancierte ständig zwischen dem Recht auf freie Berichterstattung und den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik in Griechenland.

Zeitzeugeninterviews, Deutsche Welle in der Zeit der Militärdiktatur
Mitarbeiter der Griechischen Redaktion der DW während der Zeit der MilitärdiktaturBild: DW

Anders als die politisch neutralen Formulierungen der BBC, beflügelten die kämpferischen Kommentare der Deutschen Welle die griechischen Hörer und waren der Junta ein Dorn im Auge: "Ich hörte zusammen mit meiner Frau und meinen Kindern zwei Jahre lang jeden Abend die Sendung an meinem Verbannungsort Zatouna, und ich weiß noch, wie sie unsere Moral und Entschlossenheit gestärkt hat", erinnert sich der berühmte Komponist Mikis Theodorakis. "Es gibt eine Beziehung zwischen Griechenland und Deutschland, und das damalige Zentrum dieser Beziehung war die Deutsche Welle." So entwickelte sich der deutsche Sender zu einer friedlichen Waffe der Demokratie. Und damit tätigte Deutschland nach den dunklen Jahren der Besatzung eine einmalige moralische, politische und menschliche Investition in Griechenland.

Eine nachhaltige Instanz

Im Juli 1974 kollabierte das Athener Regime nach einem gescheiterten Putsch in Nikosia, dessen Ziel die Vereinigung Griechenlands und Zyperns war. Die Demokratie kehrte nach Griechenland zurück. Und als manche Mitglieder der DW-Redaktion nach sieben langen Jahren nach Athen zurückflogen, wollten die Taxifahrer aus Dankbarkeit kein Entgelt nehmen, als sie die bekannten Stimmen aus Köln erkannten, dem damaligen Standort der DW.

Auch Karolos Papoulias arbeitete damals in der Redaktion, später wurde er griechischer Staatspräsident. "Diese Sendung stellt für das griechische Volk ein historisches Symbol im Kampf für Demokratie und Menschenrechte dar", beschreibt er noch heute die damalige Rolle der DW. Der Name "Deutsche Welle" berühre noch heute sogar jene Griechen, die damals noch gar nicht geboren gewesen seien. 

Eine Geschichte, die bis heute kaum an Symbolkraft verloren hat. Auch beim leisesten Anzeichen einer Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten oder einer Vertuschung der Wahrheit, beruft man sich auf die alte Instanz. Als vor einigen Monaten mehrere Beschönigungsmeldungen der Tsipras-Regierung zur Situation des Landes erschienen, publizierte ein angesehenes griechisches Internetportal einen kritischen Artikel und betitelte ihn mit klaren Worten: "Die Zeit der Deutschen Welle kommt noch zurück".

Porträt eines Mannes mit schwarz-grau melierten Locken
Spiros Moskovou Redakteur und Autor der DW Programs for Europe