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Finanzmarktreform

11. März 2010

Verläufen die Bemühungen um eine Reform der Finanzmärkte im Sand? Oder kommt der Umbau des Finanzsystems tatsächlich voran? DW-WORLD.DE im Gespräch mit dem Bankenexperten Prof. Udo Steffens.

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Professor Udo Steffens (Bild: Frankfurt School)
Professor Udo SteffensBild: Frankfurt School of Finance & Management

DW-WORLD.DE: Herr Steffens, die Bankenaufsicht, die Reform der Finanzmärkte: Das alles war immer wieder Thema bei jedem Weltfinanzgipfel im vergangenen Jahr. Bei jedem Finanzministertreffen wird es wieder aufgerufen und unlängst auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Denn noch hat man so ein Gefühl: Das verläuft ja doch alles im Sande. Wie ist Ihr Eindruck?

Udo Steffens: Also ich glaube, es verläuft nicht wirklich im Sande, allerdings schon an der Oberfläche. Aber man muss auch verstehen: Bei diesem Thema geht es um eine gigantische internationale Aufgabe. Die politischen Instanzen, also die Regierung der einzelnen Länder, die brauchen bei diesem Thema einfach Zeit. Und es ist auch sicherlich so, dass eben diese Regierungen - oder auch der Internationale Währungsfonds – diese Dinge zunächst erstmal in seiner Komplexität verstehen mussten. Und jetzt, das kann man deutlich spüren, rückt quasi die politische Welt langsam vor und versucht sozusagen das Problem einzugrenzen.

Dennoch habe ich so ein bisschen den Eindruck: Die Deutschen wollen vor allem die Banker-Boni beschneiden, die Amerikaner wollen gleich die Radikallösung mit dem Verbot spekulativer Geschäfte und die Europäer, die streiten, wo sie denn ihre Bankenaufsicht ansiedeln sollen. Ist das ungefähr der Stand der Dinge?

Das ist sicherlich so ein bisschen der Stand der Dinge. Im Hintergrund läuft neben den Konflikten der Regulierung des Finanzsektors natürlich auch die Frage: In welcher Weise positionieren sich die einzelnen Finanzindustrien? Und da gibt es ja durchaus systemische Unterschiede. Von daher gibt es einerseits einen nationalen Wettbewerb und es gibt natürlich einen Systemwettbewerb zwischen den Kontinentaleuropäern und den eher angelsächsisch geprägten Bankmodellen.

Aber US-Präsident Obama hat ja unlängst wirklich zum ganz großen Schlag ausgeholt: Er möchte den Banken den so genannten Eigenhandel verbieten, er will das klassische Bankengeschäft wirklich wieder abtrennen vom Investmentbanking, also völlig neue Regeln aufstellen. Glauben Sie denn, dass diese Radikalkur überhaupt ansatzweise Erfolg haben könnte?

Steffens: Ich glaube, das wird nicht gelingen. Das Stichwort ist ja der so genannte Glass-Steagall-Act. Damit wurde nach der großen amerikanischen Depression vor 80 Jahren das so genannte Trennbankensystem eingeführt (Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, d.Red.). Das ist erst vor acht, neun Jahren abgeschafft worden und es würde doch zu einer nachhaltigen Wettbewerbsbehinderung amerikanischer Banken führen, die sich jetzt gerade auch eben als Universalbanken vermehrt aufgestellt haben. Ich glaube, das hat nicht wirklich Aussichten auf Erfolg. Wo man stark dran arbeitet ist, das systemische Risiko von Banken für die Gesamtvolkswirtschaft letztlich zu begrenzen. Da gibt es verschiedene Ideen, die im Augenblick im Hintergrund diskutiert werden.

Also dieses berühmte "zu groß, um Pleite gehen zu lassen", "to big to fail". Ist das noch das worauf es am Ende abzielt?

Man sagt jetzt gar nicht mal mehr "to big to fail", weil Größe gar nicht das Entscheidende ist. Sondern man geht jetzt vermehrt auf den Begriff "to systemic to fail" oder "to conected to fail". Das heißt, man versucht zu analysieren, wie stark ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen vernetzt und welche Bedeutung hat sie für große Fragestellungen. Das sind weniger die Refinanzierungen im klassischen Sinne, sondern das ist eher die Fragestellung: Wie sind sie in den Verbriefungsmärkten engagiert, wie stark sind sie beispielsweise auch unterwegs in der Emittierung von Staatsanleihen und ähnlichen Fragestellungen.

Glauben Sie, das dass, was jetzt insgesamt auf den Weg gebracht wird, dass das in die richtige Richtung geht, eine solche Krise, wie wir sie erlebt haben nicht wieder neu entstehen zu lassen?

Es wird nicht wieder diese Krise geben. Sondern man muss einfach ganz klar sehen: In einem marktwirtschaftlichen System werden wir von einer gewissen Krisenhaftigkeit nicht wirklich verschont bleiben. Man wird andere Krisen erleben, nicht wieder diese, wie bisher ja auch nicht gedacht worden ist, dass eine Finanzkrise von den Industrieländern ausgeht. Das ist jetzt zum ersten Mal der Fall gewesen.

Das Gespräch führte Henrik Böhme.

Professor Dr. Udo Steffens ist Vorsitzender der Geschäftsführung und Präsident der Frankfurt School of Finance and Management. Er hat eine Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre.