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Plattendrehen als Kunst

Andreas Zimmer 20. Juni 2013

Anlässlich der c/o pop, der Kölner Messe für elektronische Musik, blicken wir auf die Entwicklung jener sich drehenden Scheiben – von 1887 bis heute.

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Der DJ und Autor Hans Nieswandt steht bei der Eröffnungsveranstaltung des Festivals c/o-pop (cologne on pop) in Köln an einem Plattenteller. Foto: Jörg Carstensen dpa/lnw
Bild: picture-alliance/dpa

Niemals hätte sich der deutschstämmige Emil Berliner 1887 in den USA träumen lassen, dass seine Erfindungen "Grammophon" und "Schallplatte" solche Wellen schlagen würden. Keine Art des Musikgenusses wäre heute ohne den Erfinder möglich. War Musikhören nach 1887 mehr ein rein privates Vergnügen oder zumindest nur eines in kleinen Gesellschaften, wurde die potenzielle Hörerschaft spätestens in den 1920er Jahren immer größer. Die ersten ernstzunehmenden Radiostationen entstanden.

Radio als Multiplikator für Schallplatten

Zugleich entwickelte sich vor allem in den USA die Idee weiter, auf Schallplatten konservierte Musik über den Rundfunk zu verbreiten. Die Disc Jockeys - oder kurz "DJs" - waren geboren: Menschen, die im Radio Platten auflegten. In den 1940er Jahren tauchte der Begriff offiziell im US-amerikanischen Radio auf. Im Prinzip endet hier die Entwicklung des Radio-DJs.

Zeitgenössische Aufnahme von Emil Berliner, dem Mitbegründer der Schallplattenfirma Deutsche Grammophon GmbH, der ersten Fabrik, die ausschließlich Schallplatten fertigte Foto: picture-alliance/dpa
Schallplattenpionier Emil BerlinerBild: picture-alliance/dpa

Doch die generelle Entwicklung der neu entdeckten musikalischen Möglichkeiten des Plattenabspielens und des DJs ging weiter. Im Untergrund. In Discos und Clubs.

Radio-DJ vs. Club-DJ

In den frühen 70er Jahren des letzten Jahrhunderts begann ein junger jamaikanischer Einwanderer namens Clive Campbell alias Kool DJ Herc in New York mit Reggae-Klängen seiner Heimat zu experimentieren. Vor allem das Ineinanderblenden zweier identischer, kurzer Songteile, die mittels zweier identischer Vinyls auf zwei Plattentellern zu einem schier endlosen Rhythmus- bzw. Groove-bett zusammengefahren wurden, bildeten das Herzstück seiner Idee. Der Vorläufer des "Samplings" war geboren - die Grundlage für neue Musikrichtungen wie beispielsweise des HipHop.

Zugleich entwickelte sich auch die Kunst des taktgenauen Ineinanderfahren zweier aufeinanderfolgender Titel weiter, das in späterer Zeit als "Beatmatching" bezeichnet wurde. Zwei Grundbegriffe des DJing. Auch heute noch.

Sampling, Beatmatching sowie Scratching und Backspinning

In schneller Folge des von DJ Herc ersonnenen Samplings entdeckte Grandmaster Flash, dass er Titel viel besser ineinander mischen konnte, wenn er sie zuvor mittels einer kleinen Rückwärtsdrehung, "Backspin" genannt, vor der Tonabnehmernadel platzieren konnte. Und von dort war es dann nicht mehr weit, bis das "Scratching" geboren war, das stetige Vor- und Zurückdrehen einer bestimmten Stelle eines Songs.

Der Plattenteller eines DJs dreht sich in Berlin Foto: Johannes Eisele dpa/lbn
Scatching und Backspinning am PlattentellerBild: dpa/picture-alliance

So wurde es möglich, aus bestehender Musik auf Vinyl durch Beatmatching, Sampling, Backspinning und Scratching eine neue, tanz- und erlebbare Musik zu machen, die es so auf diese Art vorher noch nicht gab. Eine kreative und neue Art des Musikmachens, das den Plattenteller zu einem eigenen Musikinstrument macht.

Plattenteller als Musikinstrument

In den 90er Jahren des letztens Jahrhunderts schwappten die DJ-Welle und in ihrem Schlepptau auch neue Musikrichtungen wie Trance, House, Jungle, Techno u.a. dann auch endgültig in die Popmusik. Die so genannte Dance Music aus Deutschland mit den Vorreiternamen Marusha, Westbam, Dr. Motte und in Form der Berliner "Loveparade" machte anschließend in der Welt Karriere.

Der Erfinder der Love Parade, DJ Dr. Motte, mit bürgerlichen Name Matthias Roeingh.
Erfinder der Berliner Love-Parade: DJ Dr. MotteBild: picture-alliance/Berliner Zeitung

Erinnern wir uns zurück an Snap, U96, Captain Jack usw. Damals vom Mainstream als sehr harte Tanzmusik gebrandmarkt, sind die Titel heute ganz normale Popmusik.

Vom Spartenmusikstatus zum Phänomen mit massenkompatibler Breitenwirkung

Natürlich blieb die Kunst des DJing nicht stehen und mit fortschreitender Digitalisierung entwickelten sich neue Möglichkeiten. Und neue Stars. Der französische David Guetta beispielsweise füllt heute als DJ ganze Stadien und wird selbst wie ein Popstar gefeiert.

Nicki Minaj und David Guetta bei einer Performance 2011 in Los Angeles. Photo: Matt Sayles
Star-DJs: Nicki Minaj und David GuettaBild: AP

Insofern ist das DJing eine wesentliche Grundlage zeitgenössischer Pop(ulär)-Musik geworden. Auch für die Nachfolgemesse der legendären PopKomm in Köln, die sich mittlerweile als "c/o pop" (Cologne on Pop) immer Ende Juni in der Domstadt am Rhein fest etabliert hat.