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Neue Regierung

Martin Hoffmann12. September 2007

Erst eine neue Bombe, dann die Regierung entlassen. Russlands Präsident Putin bereitet auf seine Art seine Nachfolge vor - und sorgt für Überraschungen.

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Moskva mit Kreml
An der Moskva werden die Weichen für die politische Zukunft Russlands gestelltBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Russlands Präsident Wladimier Putin hat seine Regierung entlassen, einen Tag nach dem er den erfolgreichen Test einer sprengstarken Vakuumbombe vermelden ließ. Was Außenstehenden wie eine russische Drohgebärde anmutet, ist vor allem innenpolitische Taktik. In Russland stehen am 2. Dezember Parlaments- und in einem halben Jahr Präsidentschaftswahlen an - Putin bringt seinen Nachfolger auf Position.

Die Überraschung

Viktor Subkow
Viktor SubkowBild: AP

Am Mittwoch nachmittag (12.09.2007) schlug Putin überraschend den Finanzexperten Viktor Subkow für das Amt des Ministerpräsidenten vor. Über die Kandidatur Subkows, der derzeit Chef der obersten russischen Finanzaufsicht ist, wird die Duma am Freitag debattieren. Unterdessen soll der bisherige Regierungschef Michail Fradkow, der von Putin entlassen worden war, bis zur Ernennung des Ministerpräsidenten die Amtsgeschäfte kommisarisch weiterführen. Beobachter in Russland vermuten in der Nominierung Subkows eine Übergangslösung, da offenbar ein Machtkampf um Putins Nachfolge entbrannt sei. Der Posten des Ministerpräsidenten gilt als Indikator für den nächsten Präsidenten. Er diente 1999 auch Putin als Sprungbrett ins Präsidentenamt.

Der vormalige Kandidat

Viktor Iwanow und Wladimir Putin unterhalten sich.
Viktor Iwanow (links) galt bis heute als Putins Günstling.Bild: AP

Bisher wurde inoffiziell Sergej Iwanow, früherer Verteidigungsminister und derzeit erster Stellvertreter des Ministerpräsidenten als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gehandelt. Noch heute morgen hatte die russischen Zeitung Wedomosti auf Kremlinformationen gestützt berichtet, dass Iwanow in kurzer Zeit zum Ministerpräsidenten ernannt werden würde. Iwanow gilt als aussichtsreichster Bewerber für das Präsidentenamt bei der Wahl im März 2008. Putin kann dort nicht mehr antreten, da seine Amtszeit auf zwei Wahlperioden begrenzt ist.

Bombe für PR

Russischer Bomber vor britischem Abfangjäger
Russische Bomber patrouillieren wieder im strategischen Flottenverband.Bild: AP

Nach Einschätzung des Russlandexperten Hans-Henning Schroeder von der Stiftung Wissenschaft und Politik wird auch der jüngste Erfolg der russischen Rüstungsindustrie, die "Vakuumbombe", von der russischen Öffentlichkeit Iwanow zugeschrieben. Der Wissenschaftler bezeichnete die gestrige Präsentation der "Vakuumbombe" als "äußerst werbewirksam" für den ehemaligen Verteidigungsminister.

Mit der Vorstellung konnte die Regierung Putin die Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit des russischen Militärs und der Rüstungsindustrie unterstreichen. Das zeigt auch die Betitelung der Bombe: "Vater aller Bomben" nennen sie die russischen Militärs, in Anlehnung an die amerikanische "Mutter aller Bomben", die bisher stärkste MOAB (Massive Ordnance Air Blast).

Stärkste konventionelle Bombe

Die Sprengkraft der "Vakuumbombe" entspreche der einer Atombombe, teilten Vertreter des russischen Militärs am Dienstag (11.09.2007) mit. Die Bombe ist keine Neuentwicklung, sondern eine Weiterentwicklung der so genannten Aerosolbomben aus den 70-er Jahren. Die Bombe sei vor allem für den Antiterrorkampf konzipiert, teilte das Militär in Moskau mit. Gleichzeitig hob das Verteidigungsministerium hervor, dass Russland mit dem Test gegen keine internationalen Abkommen verstoße und auch "kein neues Wettrüsten lostreten wolle".

Der Westen

Portrait Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): Abrüstung fortsetzenBild: picture-alliance/dpa

Unterdessen wird die russische Sicherheitspolitik von westlicher Seite genau beobachtet. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte in der Haushaltsdebatte vor einer Abkehr vom Abrüstungskurs der letzten Jahrzehnte. Er bezog sich dabei auf das Aussetzen des KSE-Vertrages über konventionelle Abrüstung durch Russland. Auch sein Vorgänger Joschka Fischer hatte unlängst seine Besorgnis über die zunehmend offensivere Außen- und Sicherheitspolitik Russlands geäußert. In einem mit "Konfrontation statt Kooperation" überschriebenem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung sprach er sich für eine einheitliche Positionierung der EU gegenüber der russischen Politik aus.

In den vergangenen Monaten hatten etwa die Rede Putins auf der Münchener Sicherheitskonferenz, die Wiederaufnahme der Patrouillienflüge der strategischen Luftflotte außerhalb Russlands sowie die Hacker-Angriffe auf estnische Institutionen von russischen Computern aus ein aggressiveres Bild Russlands im Westen gezeichnet.

Das neue Selbstbewußtsein

Militärparade in Russland
Die russische Armee wird weiter aufgerüstet.Bild: AP

Russlandexperte Schroeder wertet das neue russische Selbstbewußtsein in der Sicherheitspolitik allerdings nicht als unerwartbares Phänomen. Russlands sehe sich trotz seiner wesentlich geringeren Wirtschaftsleistung den USA ebenbürtig.

"Die russische Außenpolitik hatte in den Neunzigern und den ersten Jahren dieses Jahrhunderts nur geringe Gestaltungsfähigkeit", sagt Schroeder. "Jetzt erstarkt sie langsam wieder und versucht auch, den europäischen Sicherheitsraum zu gestalten."