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Eine neue Rolle für Angela Merkel

19. Juli 2010

Die Rücktrittsreihe der Ministerpräsidenten hat Folgen über die jeweiligen Bundesländer hinaus, denn diese spielen innerhalb der CDU Angela Merkels eine wichtige Rolle. Was bedeuten die Abgänge für die Kanzlerin?

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Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Immer einsamer ragt Angela Merkel unter den Christdemokraten heraus. Diejenigen, die ihr an politischer Statur nahekommen konnten, sind bald alle weg. Sechs von zehn Länder-Regierungschefs sind der CDU innerhalb weniger Monate abhanden gekommen.

Peter Stützle, Hauptstadtstudio Berlin (Foto: DW)
Peter Stützle, Hauptstadtstudio BerlinBild: DW

Aufgrund der sehr föderalen Struktur der CDU haben die sogenannten Landesfürsten traditionell ein starkes Gewicht in der Partei. Und weil sie von den Landesparlamenten gewählt sind, können sie auch die Bundeskanzlerin und Parteivorsitzende kritisieren, ohne dass diese viele Sanktionsmöglichkeiten hat. Schon Helmut Kohl und seine Vorgänger haben damit so ihre Erfahrungen gemacht.

Die Gründe für die Abgänge sind durchaus unterschiedlich. Zwei sind schlicht abgewählt worden: zuerst Dieter Althaus in Thüringen, zuletzt Jürgen Rüttgers in Nordrhein-Westfalen. Zwei haben andere Ämter übernommen: Günther Oettinger aus Baden-Württemberg wurde EU-Kommissar, Christian Wulff aus Niedersachsen gar Bundespräsident. Wobei bei Oettinger unverkennbar der Brüsseler Posten eine gute Gelegenheit war, ihn wegzubekommen, weil seine Aussichten schlecht waren, die nächste Landtagswahl im Frühjahr zu bestehen. Christian Wulff andererseits hatte schon alle Vorbereitungen für seine Nachfolge getroffen. Wäre nicht das höchste Staatsamt auf ihn zugekommen, er hätte es wohl über kurz oder lang seinen Kollegen aus Hessen und Hamburg, Roland Koch und Ole von Beust, gleichgetan und wäre während der laufenden Amtszeit zurückgetreten.

Ein weiterer Abgang steht ins Haus, denn der 74-jährige Wolfgang Böhmer in Sachsen-Anhalt hat erkennen lassen, dass er bei der Landtagswahl im kommenden Frühjahr 2011 nicht mehr antreten will. Böhmer ist insofern eine Ausnahme, als er seine Amtszeit zu Ende führen will.

Altes Prozedere, neue Gründe

Generell gilt es - und zwar in allen Parteien - als clever, Ämter während der laufenden Wahlperiode zu wechseln. Das soll es dem Nachfolger erlauben, vor der nächsten Wahl einen Amtsbonus zu erarbeiten. Nur sind solche Wechsel früher meist mit dem Alter oder der Gesundheit begründet worden. Roland Koch und Ole von Beust aber sind Anfang bis Mitte 50 und nach allem, was man weiß, bei bester Gesundheit. Beide haben offensichtlich politisch kein Weiterkommen mehr gesehen und wollen nun mal etwas ganz anderes machen.

Für Angela Merkel bedeutet das, dass sie künftig von vielen relativ jungen - und damit relativ unerfahrenen - Politikern umgeben sein wird. Bequemer wird das nicht unbedingt, denn die Jungen werden versuchen, sich zu profilieren - notfalls auf Merkels Kosten. Gleichzeitig werden ihr in der Parteiführung wichtige Ratgeber fehlen, die auch mal um der Sache willen widersprechen. Und das in schwierigen Zeiten, in denen die CDU auf einem Langzeit-Umfragentief angekommen ist.

Nach dem nächsten Parteitag im Herbst wird Angela Merkel sein, was Helmut Kohl erst nach sehr viel längerer Amtszeit war: die Alterfahrene unter aufstrebenden jungen Führungskräften. Diese Rolle zu meistern, das wird für sie eine neue Bewährungsprobe.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Kay-Alexander Scholz