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Aloha, Mars!

Brigitte Osterath20. April 2015

Wer würde nicht gerne für ein paar Stunden zum Mars reisen? Ich hatte das Glück. Naja, fast: Auf einem Vulkan auf Hawaii probieren Forscher aus, wie es sich auf unserem Nachbarplaneten leben lässt.

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Auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii simulieren Forscher die Reise zum Mars. Eine Crew von 6 Menschen lebt in dem weißen Zeltbau (Foto: Rainer Dückerhoff).
Fast wie auf dem Mars: der Vulkan Mauna LoaBild: R. Dückerhoff

Weit und breit nur rötliches Gestein - keine Pflanzen, keine anderen Menschen und kein Tropfen Wasser ringsum. Ja, hier oben auf Mauna Loa, einem von Big Islands Vulkanen, sieht es in etwa so aus, wie ich mir den Mars vorstelle.

Naja gut, der Himmel ist nach wie vor blau, ich fühl mich genauso schwer wie sonst auch und stehe nur im langärmeligen Shirt - ohne Druckanzug - an der frischen Luft. Ab und zu fliegt eine Biene vorbei, und wenn ich nach Norden blicke, glänzen da die Teleskope auf dem Nachbarvulkan Mauna Kea - also sind da doch irgendwo noch andere Menschen.

Aber davon wollen wir mal absehen. Um eine Reise zum Mars zu simulieren, scheint dieser Ort jedenfalls ideal. "Sogar die Geologie hier ist marsähnlich", sagt Physikerin Kim Binsted, von der University of Hawaii at Manoa, die mich mit ihrem Pickup hierher gebracht hat. "Außerdem ist das hier einer der wenigen Orte auf Hawaii, von dem aus man das Meer nicht sehen kann."

Sechs Menschen für acht Monate unter sich

Das HI-SEAS-Habitat auf Mauna Loa - In diesem Zeltbau leben sechs Menschen für mehrere Monate ohne direkten Kontakt zur Außenwelt. Das "Habitat" ist zur Hauptstraße hin getarnt, damit Touristen nicht neugierig werden (Foto: Rainer Dückerhoff).
Das "Habitat" ist zur Hauptstraße hin getarnt, damit Touristen nicht neugierig werdenBild: R. Dückerhoff

Hier am Nordhang des Mauna Loa, in etwa 2500 Meter Höhe, steht zwischen all den Steinen noch etwas: ein kreisrunder, kuppelförmiger Zeltbau, elf Meter im Durchmesser, daneben Solarpaneelen und ein Kasten, den Kim mir als Notstromaggregat vorstellt. In dem Zelt - "Habitat" genannt - leben drei Männer und drei Frauen: die Crew vom Mars-Simulations-Experiment HI-SEAS (Hawaii Space Exploration Analog and Simulation), das die University of Hawaii gemeinsam mit der NASA durchführt. Kim leitet die derzeitige Mission.

Nur über zeitverzögerten E-Mail-Kontakt mit der Außenwelt verbunden, haben die sechs Crew-Mitglieder seit Oktober 2014 keinen Menschen außer einander zu Gesicht bekommen. Als ich mein Ohr an die Zeltwand halte, höre ich sie drinnen sprechen und lachen. Aber die sechs dürfen uns keinesfalls sehen oder hören, warnt Kim mich - das wäre verheerend für das Isolationsexperiment, das noch bis Juni läuft.

Das dritte Viertel scheint besonders schwer

HI-SEAS will einige der ungelösten Fragen klären, welche eine Reise zum Mars bisher unmöglich machen, erzählt mir Kim in sicherem Abstand vom Habitat - außer Hörweite also. Dazu gehört die Frage, ob eine Gruppe damit klarkommt, viele Monate alleine zu leben, zunächst im Raumschiff und dann auf einem unbewohnten Planeten.

"Wir wollen beispielsweise herausfinden, ob das Drei-Viertel-Syndrom tatsächlich existiert", sagt Kim. Es heißt, im dritten Viertel einer solchen Mission erkrankten die Astronauten besonders leicht an einer Depression. "Aber stimmt das auch? Und wenn ja, ist es wirklich das dritte Viertel? Oder vielleicht der dritte Monat?" Dafür wollen die Forscher mehrere Crews vergleichen, die nacheinander unterschiedlich lange auf Mauna Loa leben.

Eine Frau ist der Commander

Ich liebe ja diese Marsreisefilme - Kim genauso, sagt sie. Aber eines mache sie alle unrealistisch: "Filme brauchen menschliches Drama, also vor allem Konflikte in der Crew. In Wirklichkeit wählen wir unsere Crews aber so aus, dass es so wenig Drama wie möglich gibt." Derzeit leben fünf US-Amerikaner und -Amerikanerinnen und eine Kanadierin im Habitat. Martha Lenio wurde als Commander ausgewählt.

Die Crew von Hi-SEAS 3 mit Kim Binsted vor dem Habitat (Foto: courtesy of the University of Hawaii).
Die Crew mit Kim Binsted vor ihrem Einzug ins "Habitat": v.l.n.r.: Neil Scheibelhut, Sophie Milam, Zak Wilson, Kim Binsted, Jocelyn Dunn, Allen Mirkadyrov, Martha LenioBild: courtesy of the University of Hawaii

Die Crew verlässt das Habitat etwa zweimal die Woche, um Gesteinsproben zu nehmen oder Lavaröhren in Augenschein zu nehmen. Jeden "Außeneinsatz" müssen sie aber vorher mit der "Bodenstation" abstimmen.

Persönlich kann ich die Crew natürlich nicht sprechen, aber per E-Mail und Audiodatei erzählen sie mir, wie es ihnen im Habitat ergeht. Neil Scheibelhut leidet vor allem darunter, die letzte Footballsaison verpasst zu haben. Zak Wilson hingegen meint, "es ist hart, die ganze Zeit drinnen zu sein."

Martha Lenio fehlt es, "einfach mal in der Sonne zu sitzen und ein Buch zu lesen. Vor kurzem habe ich auch Bäume vermisst." Jocelyn Dunn wiederum will als Erstes schwimmen gehen wird, wenn das Experiment vorbei ist. Insgesamt sind jedem Crewmitglied nur acht Minuten Duschen pro Woche erlaubt. Das wäre schon nichts für mich.

Sehnsucht nach dem Mars

Dafür, dass sechs Menschen permanent drin leben, wirkt das Habitat auf mich recht klein. Aber alle Crew-Mitglieder sind sich einig: Ja, auch nach dieser Erfahrung möchten sie noch immer gerne zum Mars fliegen.

Obwohl auch mich eine Reise zum Mars schon immer fasziniert hat, würde ich wohl doch verzichten. Ich glaube, ich würde unsere Erde mit all ihren Tieren und Pflanzen - also mit ihrem Leben darauf - zu sehr vermissen. Immer nur Steine zu sehen, ist mir auf die Dauer zu deprimierend. Obwohl mein Spaziergang auf dem Ersatzmars Mauna Loa wirklich verdammt schön war.