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Kinderliteratur im Aufwind

6. Juli 2010

Bücher für junge Leser trotzen der Wirtschaftskrise. Hier verzeichnet der Buchhandel ein stabiles Wachstum – obwohl die Mehrzahl der Kinder- und Jugendbuchverlage auf Ebooks noch weitgehend verzichten.

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Mädchen lesen gemeinsam in einem Buch (Foto: picture-alliance / ZB)
Trotz Computerspielen und Internet ist Lesen ...Bild: picture-alliance/ZB

Edmund Jacoby hat es gewagt: Vor zwei Jahren gründete er mit seiner Frau den eigenen Kinder- und Jugendbuchverlag "Jacoby & Stuart". Damit erfüllte sich der heute 61-Jährige einen langjährigen Traum, nahm aber gleichzeitig eine unternehmerische Herausforderung an, schließlich tummeln sich auf dem deutschen Buchmarkt bereits über 80 Kinder- und Jugendbuchverlage. "Dafür aber", fügt Jacoby hinzu, "ist das Kinder- und Jugendbuch im Moment das stabilste Segment im Verlagswesen. Von daher ist unsere Verlagsneugründung gar nicht so dumm."

Kinderbücher für Erwachsene

Mit rund 15 Prozent am Gesamtumsatz sind Kinder- und Jugendbücher keine Nischenprodukte, sondern feste, ernstzunehmende Konstanten. Es ist sogar das Segment, dessen Umsätze sich sogar Jahr für Jahr kontinuierlich steigert. Richtig ins Schwärmen gerät Jacoby bei seiner kommenden Neuerscheinung: "World Shaker".

Ein sogenanntes "All Age"-Buch. Das heißt, es richtet sich sowohl an jugendliche wie auch an erwachsene Leser. "All Age"-Bücher haben mit Bestsellern wie Harry Potter und zuletzt Stephenie Meyers Vampir-Büchern eine Goldgräber-Stimmung unter den Kinder- und Jugendbuchverlagen hervorgerufen. Jenseits der ohnehin schon stabilen Kinderbuch-Verkäufe, hofft jeder Verleger auf einen "All Age"-Bestseller, zuzüglich Endlos-Serie, die die Umsätze nach oben schnellen lässt.

Altersgrenzen der Leser verschwimmen

Ein Mädchen liest in der Kinderbibliothek (Foto: picture-alliance / ZB)
... nach wie vor eine der liebsten Freizeitaktivitäten.Bild: picture-alliance / ZB

"All Age" ist natürlich nicht nur für einen kleinen Verlag wie Jacoby & Stuart interessant, sondern auch für größere Häuser, wie beispielsweise für den S. Fischer Verlag. Hier ist die Vampir-Serie "House of Nights" ein Dauerbrenner. Der erste Teil führte gar die Spiegel-Bestseller-Liste für sagenhafte vier Wochen an.

Ein unternehmerischer Glücksgriff. "All Age"-Bücher haben aber auch weitere Chancen für die Verlage. "Das ist diejenige Literatur, die Brücken von der Jugendliteratur zur Erwachsenenliteratur schlagen kann. Und natürlich auch umgekehrt", sagt Sibylle Bachar vom S. Fischer Verlag.

Klassische Kinderbücher bleiben

Das klappt im Hause S. Fischer recht erfolgreich. So veröffentlichte der Verlag Titel, die zunächst erfolgreich als Jugendbücher auf den Markt gekommen sind, ein zweites Mal in der "erwachsenen" Belletristik. Gleichzeitig startet der Verlag derzeit ein eigenständiges Segment, in dem Jugendbücher, die potentiell auch von Erwachsenen gelesen werden könnten, getrennt von den Kinderbüchern beworben werden.

Bücher für die Kleinsten bleiben laut Sibylle Bachar aber weiterhin ein wichtiges Standbein für den Verlag. "Letztendlich ist es doch so: Wie sollen Kinder- und Jugendliche an 'All Age'-Bücher herangeführt werden, wenn ihnen was ganz Elementares fehlt, nämlich das Kinderbuch. Die Kinderbuchleser sind die 'All Age'-Leser von morgen."

Und die sind gar nicht so computer-fixiert wie gemeinhin behauptet. So zeigen Untersuchungen, dass Lesen für Kinder weiterhin eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen ist – trotz Computerspielen und Internet. Während sich in der "erwachsenen" Belletristik die Verlage an neuen digitalen Formaten wie dem elektronischen Buch, dem Ebook, versuchen, geben sich die Kinder- und Jugendbuchverlage erst einmal gelassen.

Kinderbücher als Ebook?

Buchcover Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (Foto: Thienemann)
Den Klassiker gibt's immer noch ...Bild: Thienemann

Ulrich Störiko-Blume, Vorstandvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage, macht dies an einem bekannten Beispiel fest: "Die Geschichte von Jim Knopf gibt es als Bilderbuch-Adaption, es gibt die berühmte 'Augsburger Puppenkiste' und zahlreiche weitere Fernsehfilme. Aber das Buch als solches, das gibt es immer noch. Und es ist nach wie vor ein sehr stark gekauftes und immer noch ein gutes Buch."

Ulrich Störiko-Blume spricht aus Erfahrung. Neben seiner Tätigkeit für die Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage ist er Programmgeschäftsführer des "Boje"-Verlags. Sein Haus hat zwar einige Titel bereits als Ebook veröffentlicht, doch gekauft wurden sie gerade einmal von einer Handvoll Lesern.

Hinzu kommt, dass die Verlage schlichtweg ratlos sind: Wie sollte sie bloß aussehen, die digitale Version von Kinderbuchklassikern wie Pippi Langstrumpf oder Jim Knopf? Den Umsatzzahlen hat diese abwartende Haltung bislang jedenfalls nicht geschadet. Auch abzüglich der "All Age"-Verkaufsschlager verzeichnet die Kinder- und Jugendbuchbranche stabile Zuwächse.

Autorin: Nadine Wojcik
Redaktion: Gabriela Schaaf/Sabine Oelze