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Anti-IS-Kampf mit syrischer Armee

Christina Ruta2. Dezember 2015

Der Westen erwägt, beim Kampf gegen den sogenannten IS mit der syrischen Armee zusammenzuarbeiten. Wie realistisch ist der gemeinsame Kampf mit einer Armee, deren Feinde man bislang unterstützt?

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Syrische Armee nahe der Stadt Mahin (Foto: getty Images, AFP)
Bild: Getty Images/AFP/Y. Karwashan

Nach den Anschlägen von Paris hatte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius die Idee ins Spiel gebracht: eine militärische Zusammenarbeit mit den syrischen Truppen im Kampf gegen den sogenannten "Islamischen Staat" (IS). Mit den Soldaten also, die momentan im syrischen Bürgerkrieg auf der Seite von Präsident Assad kämpfen - gegen die Terrormiliz, aber auch gegen die vom Westen unterstützten moderaten Rebellen. Die mögliche Kooperation soll allerdings erst nach einem politischen Übergang und ohne Autokrat Assad erfolgen.

Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen konnte den Erwägungen offenbar viel abgewinnen: Es gebe "Teile der Truppen in Syrien, die man sehr wohl … hier auch nehmen kann", erklärte sie in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Offen ließ sie allerdings, welche "Teile" sie meinte oder ob sie nur zum Ausdruck bringen wollte, dass es ihr nicht um die Regierungsarmee in ihrem derzeitigen Zusammenhang geht.

Wer ist also dieser mögliche Kooperationspartner? Und: welche Rolle spielen Loyalitäten, wenn Parteien, die im Bürgerkrieg gegeneinander kämpfen und von unterschiedlichen Mächten - etwa Russland und dem Westen - unterstützt werden, zukünftig Seite an Seite kämpfen sollen?

Andere Regierung als Oberbefehlshaber

Eine solche Kooperation sei schwer vorstellbar, meint Nahost-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung für Wissenschaft und Politik. Allerdings, so gibt sie zu bedenken: "Die Idee ist, dass man eine glaubwürdige und inklusive Übergangsregierung hat (eine Regierung, in der alle wichtigen Volksgruppen vertreten sind, Anmerk. d. Redaktion), die dann den Oberbefehl über die Streitkräfte übernehmen würde. Dann hätte man Truppen, die sich nicht dem jetzigen Regime verpflichtet fühlen würden, sondern der neuen Regierung."

Muriel Asseburg von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (Foto: Picture alliance, dpa)
Muriel Asseburg, Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: picture alliance/dpa

Hinzu kommt, dass die internationale Koalition gegen den IS groß ist: Sie besteht nicht nur aus dem Westen, sondern auch aus vielen arabischen Ländern und Russland, das sich im syrischen Bürgerkrieg klar hinter die syrische Regierung gestellt hat. Die Armee müsste daher nicht vollständig "die Seiten wechseln".

Wackelnder Rückhalt

Völlig freiwillig kämpfen viele Soldaten ohnehin nicht für das Assad-Regime. Bei der syrischen Armee handelt es sich um eine Wehrpflicht-Armee - für den Krieg wurde stark rekrutiert. Viele Soldaten konnten sich also ihren Einsatz nicht aussuchen, es gab zahlreiche Deserteure. Laut der den Rebellen nahestehenden Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte haben sich rund 70.000 Syrer ihrem Dienst entzogen. Die Angaben können allerdings nicht überprüft werden.

Andere sind übergelaufen. Ein Grund dafür sind die vielen Kriegstoten. Seit Beginn des Krieges im März 2011 sind Schätzungen zufolge mehr als 80.000 Soldaten der Regierungstruppen und verbündeter Milizen getötet worden. Insgesamt sollen von den vormals 300.000 Mann noch rund 180.000 übriggeblieben sein.

Misstrauen innerhalb der Armee

Derzeit baut das Assad-Regime vor allem auf alawitische Teile des Militärs. Die Alawiten gehören der schiitischen Richtung des Islam an, in der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil der Menschen mit dieser Konfession bei etwa zwölf Prozent. Ihr Anteil an den Militärangehörigen in höheren Rängen sei dagegen überproportional groß, erklärt Nahost-Expertin Asseburg.

Dies liege daran, dass Alawiten aus historischen Gründen wirtschaftlich benachteiligt gewesen seien, sodass für sie eine Karriere in der Armee attraktiv gewesen sei. Außerdem seien sie von dem ebenfalls alawitischen Assad-Regime bevorzugt worden.

Das "Fußvolk" in der syrischen Armee sei dagegen sunnitisch geprägt. "Es gibt diese konfessionelle Komponente, die widerspiegelt, dass das Regime nur gegenüber der eigenen Konfession Vertrauen hat. Deshalb werden auch große Teile der regulären Armee im Kampf überhaupt nicht eingesetzt", erläutert die Nahost-Expertin. Die sunnitischen Truppenteile würden durch den Militärgeheimdienst begleitet und kontrolliert.

Infografik: Wer kämpft auf Seiten der syrischen Regierung?

"Außerdem hat man sich unterstützen lassen durch den schiitischen Iran, durch die Hisbollah, durch Milizen, die der Iran größtenteils mit aufgebaut hat, sowie durch […] ehemalige Schlägertruppen, auf die sich das Regime in der Vergangenheit schon gestützt hat und aus denen man Volksmilizen aufgebaut hat", so Asseburg. Diese Volksmilizen seien ebenfalls im Wesentlichen Alawiten, zum Teil gehören sie auch anderen Minderheiten an.

Ausweitung der Luftschläge ist "kontraproduktiv"

Ein ausgeklügeltes System von Verschränkungen und gegenseitiger Überwachung also, das nicht unbedingt von Vertrauen und Loyalität zeugt. Wie sich die alawitischen Soldaten in eine mögliche internationale Koalition gegen den sunnitischen IS einspannen lassen, bleibt abzuwarten.

Klar ist allerdings, dass die syrische Armee als Akteur im Kampf gegen den IS bislang ohnehin weniger engagiert war als etwa die Kurden. Relevant wird vor allem sein, wie gut alle Ethnien und Konfessionen in eine mögliche neue Regierung integriert werden - vor allem auch die sunnitischen Araber, die etwa 74 Prozent der Syrer ausmachen.

"Entscheidend im gemeinsamen Kampf gegen den IS ist nicht nur die militärische Seite, sondern dass man die Zivilbevölkerung auf seine Seite bringt", meint Syrien-Expertin Asseburg. Dies passiere im Moment gar nicht, im Gegenteil. Die Ausweitung der Luftschläge gegen den IS sieht sie als kontraproduktiv an, denn dadurch leide vor allem die Bevölkerung. Nicht gerade eine gute Strategie, um sie im Kampf gegen den IS zu überzeugen.