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Eine Vier vor dem Komma

16. Mai 2002

Die Tarifpartner in der südwestdeutschen Metallindustrie sind sich einig. Der vorgesehene Abschluss hat eine bundesweite Signalwirkung und beendet wahrscheinlich den Arbeitskampf in der Branche.

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Warnstreiks: Mit 6,5 Prozent fing es anBild: AP

Die Nacht der langen Messer war kurz: Nach nur sieben Stunden Verhandlungszeit verkündeten die Tarifparteien in der südwestdeutschen Metallindustrie den Durchbruch - zur besten Sendezeit am Mittwoch (15.5.2002) um 19 Uhr. Die wartenden Journalisten hatten sich auf eine weitere durchwachte Nacht eingestellt. So war denn auch IG-Metall-Bezirksleiter Berthold Huber zu Scherzen über die gängigen Tarifrituale aufgelegt: "Bedaure, Ihnen nicht den Gefallen tun zu können, dass wir mit Augenringen und dicken Bärten des Nächtens diesen Abschluss gemacht haben."

Die wichtigsten Zahlen: 4 und 22

Der neue Tarifvertrag sieht zwei Stufen vor: Vom 1. Juni diesen Jahres an steigen die Löhne und Gehälter für die Mitarbeiter der Metall- und Elektroindustrie um 4,0 Prozent, vom 1. Juni 2003 an um weitere 3,1 Prozent. Die Monate März und April sind nicht rückwirkend in die Lohnerhöhung einbezogen, und für den laufenden Monat Mai bekommen die Metaller eine Einmalzahlung von 120 Euro. Das Vertragswerk hat eine Gesamtlaufzeit von 22 Monaten.

Mit der Vier vor dem Komma hat die IG Metall eine wichtige Schallmauer erreicht und kann den Abschluss vor ihren Mitgliedern als Erfolg verkaufen. Im Gegenzug garantiert die lange Laufzeit den Arbeitgebern Planungssicherheit für die kommenden 22 Monate. Sie sind vor weiteren Nachforderungen geschützt, selbst wenn die Konjunktur anziehen und die Gewinne steigen würden. Ursprünglich wollte die IG Metall nicht über eine Laufzeit von einem Jahr hinausgehen.

Hintertür für Unternehmen in Schwierigkeiten

Neu ist, dass der Tarifvertrag eine Art Härtefallregelung für klamme Unternehmen vorsieht. Wenn ein Unternehmen durch den Abschluss in seiner Existenz bedroht ist, kann es in Abstimmung mit dem Betriebsrat vom Tarifvertrag abweichen.

Von den streikenden Metallarbeitern wurde die Einigung zurückhaltend aufgenommen. Kritische Äußerungen gab es von Arbeitgeberseite. So sagte Bosch-Chef Hermann Scholl am Donnerstag bei der Vorlage der Geschäftszahlen seines Unternehmens: "Der Abschluss ist - in der Höhe und wie er zu Stande gekommen ist – im Grunde inakzeptabel." Die Erhöhung der Löhne und Gehälter koste den Konzern in diesem Jahr 115 Millionen Euro.

Streiks werden ausgesetzt

Die Streiks in Baden-Württemberg werden ab Donnerstag (16.5.2002) ausgesetzt. Am Dienstag (21.5.2002) sind die Mitglieder der IG-Metall im Tarifbereich zur Urabstimmung aufgerufen. Stimmt mindestens ein Viertel von ihnen zu, gilt der Tarifvertrag als angenommen.

Baden Württemberg gilt als klassischer Pilotbezirk für Tarifeinigungen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Tarifparteien den Abschluss auch auf andere Regionen übertragen. (jf)