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Eine zweite Chance für den Pakt

Bernd Riegert, Brüssel 14. Juli 2004

Im jahrelangen Streit um die Auslegung des Euro-Stabilitätspakts haben die Brüsseler Währungshüter einen Etappensieg erreicht. Die EU-Kommission kann sich freuen, zurücklehnen sollte sie sich aber nicht.

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Da gibt es nichts zu deuteln: Der Spruch der Europäischen Richter war eine schallende Ohrfeige für den deutschen Finanzminister Hans Eichel und seine Ministerkumpane, die in jener Nacht im November 2003 versuchten, den Stabilitätspakt für Deutschland und Frankreich auszusetzen. Mit aller Eindeutigkeit ließ der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Ministerrat, also die Vertretung der Regierungen, am Dienstag (13.7.2004) wissen, dass er sich gefälligst an die eigenen Regeln aus den einschlägigen Verträgen der EU zu halten habe.

Die EU-Kommission, die supranationale Behörde in Brüssel, hat gesiegt, aber sie hat keinen Grund, sich selbstgefällig zurückzulehnen. Im Interesse einer soliden Haushaltspolitik, darum sollte es ja eigentlich gehen, müssen sich Kommission und Finanzminister jetzt zusammenraufen. Sie müssen den Stabilitätspakt so reformieren, dass seine Regeln in der Praxis angewendet werden können, ohne dass der Gerichtshof erneut bemüht werden muss. Mit der Substanz der Wirtschafts- und Währungspolitik hatten sich die Richter nicht zu befassen.

Die politische Wirklichkeit der vergangenen Monate hat gezeigt, dass der deutsche und französische Finanzminister, die immerhin über die Hälfte der europäischen Wirtschaftskraft darstellen, nicht einfach auf den Stand der Dinge vor dem November 2003 zurückspringen werden. Bundesfinanzminister Hans Eichel hat wieder und wieder klar gemacht, dass er eine Änderung der Verfahrensregeln des Paktes wünscht. Konsequenterweise hätte er auch sagen müssen, dass er eine Änderung der strengen Kritierien wünscht, die 1997 auf deutsches Drängen in den Pakt geschrieben worden sind.

Doch an der Drei-Prozent-Marke für die Neuverschuldung mag Eichel nicht rütteln. Dazu fehlt ihm der politische Mut und wohl auch der Rückhalt beim Bundeskanzler in Berlin. Hieße dies doch einzugestehen, dass Deutschland die ehrgeizigen haushaltspolitischen Ziele von einst auf Dauer nicht wird einhalten können. Eine Änderung des Stabilitätspaktes würde Einstimmigkeit unter den 25 Mitgliedern der Europäischen Union (EU) erfordern. Diese zu erreichen, ist eine Illusion, denn einige Staaten haben einen ausgeglichenen Haushalt oder gar einen Überschuß. Portugal hat übrigens ein Defizitverfahren erfolgreich durchlaufen und seinen Hauhalt saniert. Es geht also.

Die Haushaltshüter in der EU-Kommission sollten nicht den Fehler machen, nun die gleichen Auflagen zu empfehlen, wie im November 2003. Das würde den unseligen Machtkampf mit den Finanzministern nur verlängern. Gefragt sind Vorschläge, mit denen auch Deutschland und Frankreich leben können. Dem deutschen Finanzminister, seinem französischen und seinem italienischen Kollegen muss klar sein, dass sie mit bloßen Vertröstungen und Versprechungen nicht weiterkommen werden. Der Haushaltsentwurf 2005, den Eichel nach Brüssel melden will, birgt sehr große Risiken. Wie Deutschland damit die Defizitkriterien einhalten will, bleibt das süße Geheimnis des Finanzministers.

Solide Haushaltspoltik läßt sich nicht mit einem Richterspruch erzwingen, aber die europäischen Finanzminister und auch die Kommission sollten das Urteil des Gerichtshofes als zweite Chance verstehen, den Stabiltätspakt für Deutschland und Frankreich wieder zu beleben. Denn der Pakt hat sich durchaus bewährt. Die Konvergenzkritierien haben vor der Einführung der Gemeinschaftwährung Euro zu einer spürbaren Steigerung der Haushaltsdiszplin in vielen europäischen Staaten geführt. Das Vertrauen in den Euro ist hoch. Die Finanzmärkte sind von dem Gezerre um den Stabillitätspakt relativ unbeindruckt. Das dies so bleibt, sollte das übergeordnete Ziel von Eichel und Co. sein.