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Einer gegen Merkozy

6. Februar 2012

Seit gut zwei Wochen ist Martin Schulz Präsident des Europaparlaments. Der überzeugte Europäer und Kritiker der deutschen Krisenpolitik gab sich bei seinem Antrittsbesuch in Berlin angriffslustig.

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Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments (Bild: Reuters)
Seit Januar ist Martin Schulz Präsident des EuropaparlamentsBild: Reuters

Martin Schulz drückt sich gern deutlich aus. "Jetzt ist nicht die Zeit zu pokern", ermahnte er am Montag die griechischen Parteien, die derzeit wenig Neigung zeigen, die letzten Sparvorgaben von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds umzusetzen. "Es ist die Zeit zu handeln." In Griechenland droht das nächste Sparpaket im beginnenden Wahlkampf zerrieben zu werden – und in Berlin sitzt Martin Schulz und sagt das, was die Deutschen von Politikern gerne hören: Dass Griechenland sich mehr anstrengen müsse, wenn es seine Krise bewältigen wolle. Es ist sein erster Besuch in der deutschen Hauptstadt, seit er im Januar zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt wurde.

"Griechenland braucht keine neuen Sparvorschläge"

Doch obwohl Strenge gegenüber Griechenland in Deutschland hoch im Kurs steht, macht der Sozialdemokrat Schulz schnell klar, dass er ganz und gar nicht nach Berlin gekommen ist, um die deutsche Regierungspolitik in der Euro-Krise zu unterstützen. "Was Griechenland braucht sind nicht immer neue Sparvorschläge", sagt er mit Blick auf die harte Haltung der deutschen Kanzlerin, "sondern Hoffnung auf Wachstum." Soll heißen: Griechenland muss jetzt nötige Strukturreformen umsetzen, aber dann müssen auch die anderen – vor allem Deutschland – nochmal kräftig zahlen. Er erwarte eine Aufstockung des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Die Kanzlerin schließt das bisher aus.

Martin Schulz # 06.02.2012 # Journal Deutsch

Der frühere Fraktionsvorsitzende der Sozialistischen Fraktion im Europaparlament hat sich schon öfter einen Namen als Kritiker von Angela Merkels Krisenpolitik gemacht. Er fordert gemeinsame europäische Anleihen, genannt Eurobonds. Die deutsche Regierung lehnt das vehement ab. Und den Vorschlag aus dem deutschen Finanzministerium, Griechenland einen Sparkommissar zu verordnen, kanzelte er als "wenig intelligent" ab.

Politik gegen die "Strandspaziergänger"

In Berlin legte er nun noch einmal nach. Die Frage, warum Griechenland trotz aller europäischen und griechischen Anstrengungen nicht auf die Beine komme, verwies er kurzerhand an die "Strandspaziergänger, die für sich die Lösungskompetenz reklamieren" – gemeint sind Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, die vor eineinhalb Jahren bei einem gemeinsamen Spaziergang am Strand von Deauville in Nordfrankreich die Grundzüge für die Eurorettung vereinbart haben. 

Als Parlamentspräsident muss Schulz sich eigentlich überparteilich verhalten. Das gelingt ihm bisher nur mäßig. Wenn er die Hauptschuld an der zögerlichen Umsetzung der griechischen Reformen dem Oppositionspolitiker Antonis Samaras gibt, vergisst er nicht, "übrigens ein Konservativer" hinzuzufügen. Er spottet über Merkels Wahlkampfhilfe für Nicolas Sarkozy, um dann hinzuzufügen, dass er als Sozialdemokrat selbstverständlich auf einen Wahlsieg des Sozialisten Hollande hofft.

Dennoch dreht sich sein Konflikt mit dem konservativen Führungsduo nicht in erster Linie um Parteipolitik. Schulz wird als Parlamentspräsident auch von der konservativen Fraktion im Europäischen Parlament unterstützt. Er hat sich in seiner Zeit als Fraktionschef der Sozialisten vor allem den Ruf erworben, ein kompromissloser Europäer und überzeugter Parlamentarier zu sein. In einem Parlament, das gelegentlich darum kämpfen muss, überhaupt wahrgenommen zu werden, hat ihm das Respekt von verschiedenen Seiten eingebracht.

"Dem Parlament eine starke Stimme geben"

Seine eigentliche Aufgabe als Parlamentspräsident sieht Schulz deshalb auch darin, den Abgeordneten mehr Einfluss zu verschaffen. Er werde "mit aller Kraft daran arbeiten, dem Parlament eine starke Stimme zu geben", hatte er bei seiner Wahl angekündigt. Selbstbewusst forderte er gleich zu Beginn, an den Gipfeln zum europäischen Fiskalpakt, die in der vergangenen Woche beschlossen wurden, teilnehmen zu dürfen. Zweimal im Jahr wollen sich die Staats- und Regierungschefs der meisten EU-Staaten in Zukunft treffen, um über die gemeinsame Finanzpolitik zu beraten. Eine Mitsprache des Parlaments war in den Entwürfen nicht vorgesehen.

Schulz setzte durch, dass eine Teilnahme des Parlamentspräsidenten in den Vertrag aufgenommen wird – allerdings völlig unverbindlich: "Der Parlamentspräsident kann zur Anhörung eingeladen werden", steht in dem Vertragstext, was darauf hinauslaufen könnte, dass man ihm am Anfang höflich ein paar Minuten einräumt, um seine Meinung darzulegen und ihn dann wieder hinausschickt. Dass ihm das nicht genug ist, machte er nun noch einmal deutlich. "Ich gehöre zu der Kategorie von Menschen, die man vorne hinausbittet", sagte er, "aber die dann auch den Hintereingang finden um zurückzukommen."

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Bernd Grässler