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Keine einfache Antwort

3. August 2009

Neun Tage dauerte die bisher größte Militäroffensive der Bundeswehr, die am vergangenen Donnerstag (30.7.) zuende ging. Befindet sich die Bundeswehr in Afghanistan nun im Krieg oder nicht? Peter Stützle kommentiert.

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Bild: DW

Dieser Krieg ist kein Krieg. Ein Krieg ist, wenn ein Staat einen anderen Staat mit Soldaten angreift. So jedenfalls sieht es das Völkerrecht. Ein Krieg war es, als eine internationale Allianz unter amerikanischer Führung Serbien angriff, um einen befürchteten Völkermord im Kosovo zu verhindern.

In Afghanistan aber kämpfen nicht Staaten gegen Staaten. In Afghanistan herrscht Bürgerkrieg, und mehrere Staaten, darunter Deutschland, kämpfen auf der Seite einer der beiden Bürgerkriegs-Parteien, nämlich der von ihnen anerkannten Regierung Karsai, gegen die Taliban-Rebellen.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (Foto:dpa)
spricht auch weiterhin von einem 'Stabilisierungseinsatz'Bild: dpa/picture-alliance

Nun ist Bürgerkrieg natürlich auch Krieg, wenngleich nicht im völkerrechtlichen Sinn. Es sei denn, ein Staat kämpft auf Seiten der Rebellen gegen die legitime Regierung. Dann kämpft dieser Staat völkerrechtlich gesehen gegen den Staat, den diese Regierung vertritt. Allerdings ist das mit den legitimen Regierungen nicht immer so einfach. Im Spanischen Bürgerkrieg unterstützten das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien den Putschisten Franco, dessen Regierung sie als legitim anerkannten, die Sowjetunion unterstützte die abgesetzte sozialistische Regierung, die sich selbst weiterhin als legitim betrachtete.

In Afghanistan sahen sich die Taliban als die legitime Regierung, als sie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von einer US-geführten Allianz angegriffen wurden. Von einigen Staaten war die Taliban-Regierung anerkannt, nicht allerdings von Amerikanern und Europäern. Die Taliban hatten in einem langwierigen Bürgerkrieg fast ganz Afghanistan unter Kontrolle gebracht, nur in einem kleinen Teil hielt sich die Nordallianz. Aus westlicher Sicht gab es zu dieser Zeit keine legitime Regierung in Kabul, Afghanistan galt als „failed state", als gescheiterter Staat.

Bundeswehr in Afghanistan
Seit Einsatzbeginn 2002 sind bereits 27 deutsche Soldaten in Afghanistan getötet worden.

In China hatten Ende der 40er Jahre die Kommunisten in einem grausamen Bürgerkrieg die international anerkannte republikanische Regierung aus der Hauptstadt Nanking vertrieben und fast das ganze Land unter ihre Kontrolle gebracht; nur auf der Insel Taiwan konnten sich die Republikaner halten. In den Siebziger Jahren hielten es die westlichen Staaten allerdings für zweckmäßig, die Kommunisten in Peking, die in Konflikt mit Moskau geraten waren, als legitime Regierung Chinas anzuerkennen.

Fernschreiber Autorenfoto, Peter Stützle

Als die Taliban in Kabul die Macht übernahmen, gab es die Sowjetunion nicht mehr. Wer weiß, vielleicht hätte der Westen sie in ähnlicher Weise auch anerkannt - um einen Gegenpol zu Moskau zu schaffen. Dann wäre der Militäreinsatz gegen sie ein regulärer Krieg gewesen. Da die Al Kaida unter Duldung der Taliban von Afghanistan aus die Anschläge vom 11.September 2001 vorbereitet hatte und weitere plante, hätte es auch einen legitimen Kriegsgrund gegeben. Übrigens hätten dann die Amerikaner und ihre Verbündeten auch reguläre Kriegsgefangenenlager einrichten müssen, die vom Roten Kreuz überwacht werden, statt zwielichtiger Lager in Guantanamo und anderswo.

So, wie es ist, ist dieser Krieg aber nun mal, formal gesehen, kein Krieg. Ein Krieg ist er trotzdem.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Thomas Latschan