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Eingestürztes Archiv wird mit Planen geschützt

5. März 2009

Starker Regen bedroht die einzigartigen Dokumente, die unter den Trümmern des Kölner Stadtarchivs liegen. Jetzt soll durch Planen und ein Notdach gerettet werden, was über hunderte Jahre lang Kriege und Wirren überlebte.

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Eingestürztes Gebäude des Kölner Stadtarchivs (Foto: AP)
Planen sollen das eingestürzte Archiv vor Regen schützenBild: AP

Helfer haben eine zusätzliche zweite Plane über die Trümmer gelegt. Sie soll den wertvollen Bestand des Archivs vor Regen sichern. Außerdem soll nach Aussage des Kölner Oberbürgermeisters Fritz Schramma ein stabileres Notdach errichtet werden. Derzeit tragen Bergungskräfte die beiden einsturzgefährdeten Häuser neben dem Archivgebäude ab. Im Laufe des Tages wollen Helfer dann erstmals versuchen, zu den unter den Trümmern vermuteten beiden Vermissten vorzudringen.

Experten beziffern allein den Schaden an den Kulturgütern auf mehrere hundert Millionen Euro. Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander sagte, allein der Versicherungswert des Archivmaterials betrage 400 Millionen Euro. "Der finanzielle Verlust steht aber in gar keinem Verhältnis zum geistigen Verlust." Mit dem Archiv sei das Gedächtnis des gesamten Rheinlandes und weit darüber hinaus verloren gegangen. Nicht nur Quander ist der Ansicht, dass der Schaden höher sei als beim Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar.

Originaldokumente aus mehr als tausend Jahren

Urkunde aus dem Jahr 927 (Foto: Historisches Stadtarchiv Köln)
Die älteste Urkunde des Stadtarchivs stammt aus dem Jahr 927Bild: Stadtarchiv Köln

Der Kölner evangelische Stadtsuperintendent Rolf Domning wertete den Einsturz als "unwiederbringlichen schwersten Verlust für die kölnische Identität". Das Kölner Historische Stadtarchiv beherbergte Originaldokumente aus mehr als tausend Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, darunter allein 65.000 Pergament-Urkunden. Die Geschichte des Archivs reicht bis ins Jahr 1320 zurück, die älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 927.

Schreinsbücher und Flusser-Nachlass

Zuletzt war der Bestand auf fast 30 Regalkilometer angewachsen. Auch die Nachlässe des Literatur-Nobelpreisträgers Heinrich Böll, der Komponisten Jacques Offenbach und Max Bruch oder des Philosophen Vilém Flusser befanden sich in dem Archiv. Weltberühmt sind auch die sogenannten Schreinsbücher. Diese gelten nach Auskunft des Vorsitzenden des Verbands deutscher Archivare, Robert Kretzschmar als einzigartig und unersetzbar. "Das ist ein Häuser-Verzeichnis aus dem Mittelalter, alles Unikate, die so kostbar waren, dass sie in Schreinen aufbewahrt wurden."

Restaurierung kostet Millionensummen

Regale des Stadtarchivs (Foto: Stadt Köln)
So sahen die Archivräume vor dem Einsturz ausBild: Stadt Köln

"Für das deutsche Archivwesen ist das ein Super-Gau», sagte der Leiter des Archivamtes für Westfalen in Münster, Marcus Stumpf. Sein Haus hatte schon bei der Rettung der verbrannten Bücher aus der Weimarer Anna Amalia Bibliothek und beschädigter Dokumente beim Hunderthochwasser in Sachsen und Polen mitgeholfen. Die komplizierte und langwierige Restaurierung solcher Mengen Archivalien aus Papier oder mittelalterlichem Pergament sei überaus kostspielig, sagt der Experte: Rasch kämmen da zweistellige Millionenbeträge zusammen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte deshalb rasche Hilfe bei der Rettung der historischen Dokumente und bei der Einrichtung eines neuen Archivs zu. (mm)