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Einheit auf Arabisch

22. Mai 2010

Lange war der Jemen geteilt: zuletzt in den von Islam und Stammesstrukturen geprägten Norden und den sozialistischen Süden. 2010 feiern die Jemeniten - ebenso wie die Deutschen - den 20. Jahrestag ihrer Vereinigung.

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Altstadt Sana'a, Foto: ap
Jemens Einheit - ein Grund zum Feiern?Bild: picture-alliance/ dpa

"Almanya-Yemen, same-same", sagt der Rosinenhändler auf dem Altstadtmarkt von Sanaa: "Deutschland und der Jemen sind gleich", wiederholt er und reibt zur Illustration seine ausgestreckten Zeigefinger aneinander. Das ärmste arabische Land und einer der wohlhabendsten Staaten im Westen – was haben die schon gemein? "Die Einheit", erklärt der Alte im knöchellangen weißen Gewand, stützt sich mit den Händen auf den Knauf seines Krummdolchs und wiederholt grinsend: "Same-same."

Tatsächlich feierten 1990 nicht nur die Deutschen ihre Einheit. Viereinhalb Monate vorher, am 22. Mai, schlossen sich im Südwesten der Arabischen Halbinsel der von konservativen Stämmen beherrschte Nordjemen und der sozialistische Süden zur immer noch einzigen Republik in der Region zusammen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Jemens, des "Arabia Felix", entstand ein gemeinsamer Staat – auch hier mit einem wirtschaftlich und politisch übermächtigen Landesteil, der drei Viertel der Gesamtbevölkerung ausmacht und sein System und seine Werte im Laufe der Jahre auf das ganze Land ausweitete.




Fremde bis heute

Militärparade in Sana'a 2009, Foto: ap
Jedes Jahr wird - wie hier 2009 - die Einheit des Jemen am 22. Mai 1989 feierlich begangenBild: AP

Im Norden hatte bis in die 1960er Jahre ein schiitischer Imam geherrscht, den Süden mit der Hafenstadt Aden regierten die Briten. Aus dem Imamat im Norden wurde 1962 schließlich die Jemenitische Arabische Republik. Die britische Kronkolonie im Süden wurde fünf Jahre später unabhängig – als sozialistische Volksrepublik unter dem Einfluss der Sowjetunion.

Altstadt in Sanaa, Foto: ap
Der islamisch und traditionell geprägte Norden ist vielen Südjemeniten bis heute fremd.Bild: AP

Vielen gut gebildeten und aufgeklärten Südjemeniten ist der von konservativen Stämmen geprägte Norden bis heute fremd. Aden und Sanaa hätten sich völlig auseinander entwickelt, sagt etwa Kamal Makrami. Der 50-Jährige aus Aden war viel im Ausland, hat auch Deutschland besucht, doch in die Berge des Nordens durfte er bis vor 20 Jahren nicht reisen. Das Land sei zwar eins, aber zwischen den Menschen gebe es noch immer Mauern, sagt Makrami.


Alle reden von der Einheit

Immerhin habe es im Jemen keinen Todesstreifen und keinen Schießbefehl an der Grenze gegeben, sagt Martin Weiss, der vor der Vereinigung das Büro der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Sanaa leitete: "Es war etwas durchlässiger als in Deutschland. Es gab auch stärker als in Deutschland das Gefühl, dass man wieder zusammenkommen möchte." Bei jeder der traditionellen nachmittäglichen Qatrunden sei irgendwann die Rede auf die Vereinigung gekommen, erinnert sich Weiss. "Aber ich hatte das Gefühl, dass im Grunde genommen niemand so richtig daran geglaubt hat. Die Jemeniten sind genauso überrascht worden wie wir in Deutschland."

Jahrzehntelang hatten beide jemenitischen Staaten das Ziel der Vereinigung in ihrer Verfassung stehen. Doch immer wieder mündeten die Verhandlungen in Grenzscharmützeln. Erst als die Sowjetunion schon vor ihrem Ende stand und die jemenitische Volksrepublik pleite war, sollte es auch in Arabien ganz schnell gehen. Im Mai 1990 rief der Präsident des Nordens, Ali Abdallah Saleh, die neue Republik aus: mit sich selbst an der Spitze und dem Generalsekretär der Sozialisten als seinem Stellvertreter.


Jemenitische Wiedervereinigungshilfe?

Das war der Moment, als Saleh – der heute noch im Amt ist – den Deutschen seine Hilfe bei der Wiedervereinigung anbot. Die Regierungen in Bonn und Berlin gingen darauf nicht ein, obwohl das jemenitische Projekt Einheit durchaus vielversprechend klang: Politiker aus Nord und Süd wollten gemeinsam eine Demokratie nach westlichem Vorbild bauen. Aus zwei Einparteiensystemen wurde binnen Kurzem ein Land mit Dutzenden Parteien und Zeitungen.

Doch mit der Gleichberechtigung zwischen Nord und Süd ist es lange vorbei. Schon aus den ersten freien Wahlen 1993 ging eine große Koalition des Misstrauens hervor. Als die Sozialisten daraufhin die Abspaltung erklärten, rückten Salehs Soldaten in Aden ein, plünderten die Stadt und zerstörten die einzige Brauerei auf der Halbinsel. "Der Südjemen ist in erheblich brutalerer Art und Weise übernommen worden als dies in Deutschland der Fall war", sagt Weiss. "Das führte schnell zu Ernüchterung, weil auf fast jedem wichtigen Posten in der staatlichen Verwaltung plötzlich Nordjemeniten das Sagen hatten."

"Wir haben viele Schritte zurück gemacht", sagt Makrami. "Nicht dass das politische System damals gut gewesen wäre – aber das ist es heute auch nicht." Doch der Süden habe nach der Vereinigung manche Errungenschaft abgeben müssen. "Männer und Frauen waren gleich", sagt Makrami über die Zeit des Sozialismus. "Frauen mussten nicht verhüllt wie Zelte rumlaufen."

Autor: Klaus Heymach
Redaktion: Ina Rottscheidt