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Einigkeit und Zurückhaltung

Daniel Wortmann23. August 2002

In Deutschland leben mehrere zehntausend Iraki, die meisten eher unauffällig. Sie bleiben ihrer Heimat verbunden - als Lobbyisten für ein demokratischeres Irak.

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Iraki feiern den RamadanBild: Ap

Die Besetzung der irakischen Botschaft in Berlin war nur scheinbar ein Beispiel für irakische Oppositionsarbeit in Deutschland. Tatsächlich spielen sich diese Aktivitäten ausschließlich im Hintergrund ab. "Eine solche Gewaltaktion im Ausland ist völlig unüblich. Bisher herrschte Einigkeit darüber, dass die Regimegegner den offenen Kampf für einen demokratischen Staat im Irak selbst und nicht außerhalb des Landes führen," bemerkt Bernd Mesovic, rechtspolitischer Referent der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL, im Gespräch mit DW-WORLD. "Deshalb haben sich die einzelnen etablierten Oppositionsgruppen von der Besetzung der Botschaft distanziert."

Die Gruppierung "Demokratische Irakische Opposition in Deutschland" (DIOD), die sich zu der Geiselnahme bekannt hat, ist alles andere als etabliert. Sie wurde erst vor kurzem in Berlin gegründet und spielt im Irak selbst keine Rolle. Somit war die Besetzung der Botschaft kein repräsentatives Beispiel für die Arbeit irakischer Oppositionsaktivisten in Deutschland.

Hauptsächlich Lobbyarbeit

DW-WORLD gegenüber schildert Thomas Uwer von der Hilfsorganisation WADI, dass diese Arbeit üblicherweise nicht von öffentlichkeitswirksamen Aktionen geprägt ist: "In Deutschland wird hauptsächlich Lobbyarbeit geleistet. Die meisten oppositionellen Iraker sind hierzulande politisch oder in Menschenrechtsorganisationen engagiert." Allerdings seien sie oft sehr gut mit ihren Verbündeten in aller Welt und auch im Irak selbst vernetzt. Mit dieser Arbeit wird die Grundlage für die Tätigkeiten in der Heimat gelegt.

Von den über 70.000 Irakern, die in Deutschland leben, engagieren sich vor allem diejenigen, die schon länger hier sind. Die zahlreichen Flüchtlinge - mit über 17.000 Anträgen im Jahr 2001 stellt der Irak in Deutschland die größte Gruppe von Asylbewerbern - wagen eher selten diesen Schritt. "Sie sind untereinander kaum organisiert und auch eher zurückhaltend in ihrem oppositionellen Engagement," sagt Menschenrechtler Mesovic.

Oppositionsgruppen in Deutschland

Alle wichtigen irakischen Oppositionsgruppen sind in Deutschland präsent. So unterhalten die Kurdische Demokratische Partei (KDP) und die Patriotische Union Kurdistans (PUK) sogar eigene Vertretungen, die einen fast schon offiziellen Charakter besitzen. "Damit repräsentieren sie auf gewisse Art und Weise die kurdische Führung im Nordirak," erklärt Thomas Uwer von WADI.

Auch schiitische Parteien wie der "Hohe Rat des irakischen Widerstands" sind vertreten. Diese kooperieren mittlerweile sogar mit der Irakischen Kommunistischen Partei, um ihre Oppositionsanstrengungen voranzubringen – die Kommunisten gehörten einst zu ihren ärgsten Gegnern.

Gemeinsame Ziele

Als Arbeitsplattform dient den Parteien in Deutschland die "Koalition demokratischer Irak". "Hier sind die meisten Parteien und eine ganze Reihe unabhängiger Oppositioneller vertreten," berichtet Thomas Uwer. Diese verfolgen zwar mittlerweile gemeinsame Ziele – darunter die Gründung eines föderalen und demokratischen Staates Irak, der unter anderem Religionsfreiheit garantieren soll. Doch werden sie von der Bundesregierung kaum in die politische Arbeit eingebunden, wie Uwer beklagt: "Gespräche, wie man sie etwa aus England kennt, finden hierzulande nicht statt."

Noch bleiben die irakischen Oppositionsgruppen also im Verborgenen. Das könnte sich allerdings bald ändern. Sollten die USA nämlich tatsächlich den Irak angreifen, so würden aus den Regimegegnern von heute die Hoffnungsträger von morgen.