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Einigung in nationaler Sache

3. Mai 2002

– Kommentar der "Prager Zeitung" zur Deklaration des Prager Parlaments über die Benes-Dekrete

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Prag, 30.4.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Uwe Müller

Die vor einer Woche im Prager Abgeordnetenhaus verabschiedete Resolution über die Unveränderbarkeit der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs bleibt eine tschechische Spezifikum. Weder in Polen noch in der Slowakei haben die Politiker einen ähnlichen Schritt vor. Dabei musste man auch dort beunruhigt sein. Denn Tschechiens Politiker - übrigens in bislang nie da gewesener Geschlossenheit - sahen sich zu der Resolution veranlasst, weil "einige Kreise, insbesondere im Ausland, neuerlich die tragischen Probleme der Geschichte offnen und damit die internationalen Beziehungen belasten" mochten. So Parlamentspräsident Vaclav Klaus. In seiner Partei weiß man auch, wer sich dahinter verbirgt: Die Achse des Bösen, die von Budapest über Wien bis nach München reicht. Von der Existenz dieser Achse hat wohl weder Warschau noch Bratislava etwas gehört. Die Achse hat in Prag jedenfalls jene zusammengeführt, die sich bislang aus dem Weg gingen. Die demokratischen Parlamentsparteien haben in den Kommunisten einen Bündnisgenossen gefunden, wenn es um die "nationale Sache" geht. Schade, dass sich auch Präsident Vaclav Havel dieser Neuauflage einer Nationalen Front angeschlossen hat. Zumal die Resolution nichts Neues bringt. Sie schreibt langst Bestätigtes fest. Ist eher eine verpasste Chance. Denn tatsachlich erfüllt sie nicht einmal die Idee der deutsch-tschechischen Deklaration, auf die sie sich beruft. Mit keinem Wort wird die Vertreibung von über drei Millionen Menschen erwähnt und das daraus folgende Leid. Die tschechischen Politiker räumen nicht mit einer Silbe ein, dass damals gegen Recht und Menschlichkeit verstoßen wurde. Eine einzige Erklärung bietet sich: Die Resolution richtet sich an jene in Tschechien, die seit Jahren zum Umdenken aufrufen. Ihr Ruf findet inzwischen ein Echo in den Medien des Landes. Die Politiker tapsen unbeholfen dieser Entwicklung hinterher. (fp)