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Klassik meets Rap

22. November 2010

Crossoverprojekte gehören in der Musik zum Tagesgeschäft. Doch was eine Münchner Band sich vorgenommen hat, ist schon sehr ungewöhnlich: Bei Einshoch6 treffen Rap und Klassik aufeinander.

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Die Band Einshoch6 (Foto: Einhoch6)
Klassik meets RapBild: EINSHOCH6

Manchmal muss erst der Zufall einschreiten, damit Projekte wie Einshoch6 entstehen. Eigentlich ist der Wiener Carl Amadeus Hiller Geiger mit einem Faible für fernöstliche Trommelorgien. Nebenher hat er sich aber auch als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht und bei einem seiner Drehs stieß er auf den Rapper Dennis Rosenberger. Warum nicht mal was zusammen machen? überlegten sie sich und holten ein paar weitere Musiker ins Boot, unter ihnen Rapper Tobbz Baum: "Das war erstmal ein Hirngespinst, wir haben gedacht, Hauptsache irgendwie Musik machen", erinnert der sich an die Anfangszeiten. "Jede andere Band hat eine Gitarre dabei, wir hatten Streichinstrumente und so kam Klassik mit Rap zusammen."

Einshoch6, der Name ist Programm: sechs Musiker, die für die Verwirklichung einer Fusionsidee stehen, wobei die Band mittlerweile sogar auf neun Köpfe angewachsen ist. Und die alle unter einen Hut zu kriegen, ist eine echte Herausforderung. Auch Violinist Lorenz Blaumer aus der Klassikfraktion musste sich erst mal umgewöhnen: "Ich hatte nicht viel Ahnung von Rap und habe mir das erstmal erklären lassen. Jetzt weiß ich, das ist hohe Kunst." Allerdings sei es ein harter Kampf, Klassikkunst und Rapkunst zu vereinen und dabei die Egos der Musiker zu berücksichtigen, lacht er. "Die Rapper brauchen ein gewisses Gefühl und Songs, die nicht zu schwierig gestaltet sind, damit sie Spaß haben. Gleichzeitig wollen wir von der Musikerfraktion uns bei den Stücken gefordert fühlen." Das Resultat soll dann nicht als Konsenssoße enden, sondern Synergien erzeugen, so Blaumer: "Es soll besser werden dadurch, dass neun Leute daran arbeiten und nicht einfach immer uninteressanter."

Einshoch6 auf der Bühne (Foto: Barbara Frommann/ Einshoch6)
Neun Köpfe gehören inzwischen zu Einshoch6Bild: Einshoch6

Jenseits der Norm

Keine einfache Aufgabe, da sind sich die neun Musiker einig, aber es macht ihnen großen Spaß und sie lernen viel über die unterschiedlichsten Musikrichtungen. Stressig kann es trotzdem werden, wie der gleichnamige Song "Stress" beweist, der auf einer Melodie von Mozart basiert. "Also wenn man es schafft, sich den Song bis zum Ende anzuhören, dann ist man für das Leben gewappnet und kommt durch jede Stressituation durch", findet Rapper Tobbz.

Respekt gegenüber den anderen Bandkollegen und Kompromissbereitschaft, das ist wohl das Geheimnis der Truppe, die scheinbar Unvereinbares zu einem mitreißenden Feuerwerk vereint und dabei sowohl musikalisch als auch textlich auf hohem Niveau rangiert. Einshoch6 musiziert ungewöhnlich und "jenseits der Norm" - so lautet auch der Titel des zweiten Albums: Die Klassiker treten bewusst konservativ im Anzug an und zitieren musikalisch aus Werken von Haydn, Beethoven oder Mozart, die MC (Master of Ceremonies) schreiben gesellschaftskritische oder gefühlsbetonte Texte und treten in selbstbewusster Rappermanier vor ihr Publikum, während Bandkopf Amadeus mit japanischen Trommeln im asiatischen Gewand erscheint. "Jenseits der Norm ist Programm, sagt Tobbz Baum. "Der Titel spiegelt unser Sein wider, weil man uns so schlecht in Schubladen stecken kann. Wir haben jetzt unsere eigene Schublade und die ist tatsächlich jenseits der Norm."

Den Superhelden entdecken

Die Musiker von Einshoch6 (Foto: Einshoch6)
Die Superhelden von Einshoch6Bild: EINSHOCH6

Zur Zeit sind die Einshoch6er als Superhelden unterwegs. "Rettet Deutschland" heißt ihre aktuelle Scheibe. Neun Helden im Comicstyle springen dem Betrachter aus dem Albumcover entgegen. "Diese CD ist letztendlich eine Message an die Seele", erklärt Rapper Tobbz. "Man soll sich freimachen und nicht engstirnig sein eigenes Ding verfolgen, sondern offen für alles Mögliche sein. Nicht nur in der Musik, sondern auch anderen Menschen gegenüber." Diese Grundeinstellung zum Leben beschere ein Gefühl der Freiheit, finden die Einshoch6er. Stellt sich die Frage, ob Deutschland Superhelden braucht, und das bejaht Tobbz definitiv: "In jedem von uns steckt ein Superheld und den gilt es in sich zu entdecken, nur so kann die Welt besser werden."

Einshoch6 sprengt Grenzen und geht bewusst seinen eigenen Weg. Mal treten sie mit philharmonischen Orchestern in Konzerthallen auf, dann in HipHop Clubs quer durch die Republik und in ganz Europa. Während Veranstalter oft zögern, Einshoch6 zu buchen, weil sie nicht wissen, wo sie die Band einordnen sollen, gibt sich das Publikum viel offener, konnte Rapper Tobbz Baum feststellen: "Sogar die Schlipskragenträger bouncen und gehen ab, wie wir so schön sagen in der Rappersprache. Also sie haben Spaß, fühlen sich jung und sind auch gar nicht voreingenommen." Und Geiger Lorenz ergänzt: "Auf der anderen Seite kommen viele HipHopper und sagen, hej, was ihr da hinten mit der Band macht, ist echt der absolute Hammer."

Ohne Bum Tschak und Missionsanspruch

Anspruchsvolle Musik und intelligenten deutschen Rap live auf der Bühne zu vereinen ist also doch nicht unmöglich, das hat Einshoch6 hinlänglich bewiesen. Und so haben die Musiker schon so manchen Preis eingeheimst und erhielten sogar Spitzenförderung und beste Connections im PopCamp, der Kaderschmiede für erfolgreiche Newcomerbands des Deutschen Musikrats. Am liebsten aber stehen sie live auf der Bühne, so Lorenz Blaumer: "Es geht nicht darum, Bum Tschak auf der Bühne zu machen und möglichst laut zu sein, sondern wir wollen was Spannendes bieten." Ohne Missionsanspruch, versteht sich: "Wir wollen den Leuten nicht zeigen: Hej, das ist übrigens Klassik, das ist Hochkultur, und das andere ist übrigens Rap und das machen wir jetzt mal zusammen, damit wir das andere verkaufen können." Das braucht Einshoch6 auch gar nicht, denn wer die Band einmal live auf der Bühne erlebt hat, fragt sich danach vielleicht, warum Rap und Klassik nicht schon immer zusammen gehörten.

Autorin: Suzanne Cords

Redaktion: Matthias Klaus