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Eisflaute im Polarmeer

17. September 2007

Die Meereisdecke um den Nordpol ist so stark geschrumpft wie nie zuvor. Schiffe könnten schon bald durch die nun komplett eisfreie Nordwestpassage fahren, um auf kurzem Weg vom Atlantik in den Pazifik zu gelangen.

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Satellitenbild Meerenge (Quelle: ESA)
Die eisfreie Nordwestpassage aus SatellitenperspektiveBild: AP/ESA

Die Eisschmelze an den Polen nimmt immer größere Ausmaße an. Jetzt hat die Europäische Raumfahrtagentur Esa Satellitenbilder vorgestellt, die einen weiteren dramatischen Schritt in dieser Entwicklung belegen: Die Nordwestpassage vor der Küste Kanadas ist demnach zum ersten Mal seit Beginn der Satellitenbeobachtungen vor fast 30 Jahren komplett eisfrei und für Schiffe passierbar. Das Nordpolarmeer war insgesamt noch nie von so wenig Eis bedeckt wie heute, berichtete die europäische Weltraumbehörde am Wochenende auf ihrer Internetseite. Esa beruft sich auf eine Satellitenauswertung, die Anfang September aus 200 Einzelaufnahmen zusammengefügt wurde.


Das Mosaik zeige, dass sich das Meereis nur noch auf einer Fläche von rund drei Millionen Quadratkilometern ausbreitet. Das sei gut eine Million Quadratkilometer weniger als im Vergleich zu den Tiefstständen in den Jahren 2005 und 2006. Der Verlust einer Eisfläche in dieser Größenordnung sei "extrem", sagte Leif Toudal Pedersen vom dänischen Raumfahrtzentrum. Im Durchschnitt sei in den vergangenen zehn Jahren lediglich ein Rückgang von rund 100.000 Quadratkilometern gemessen worden.

Auch Nordostpassage bald eisfrei?

Eisbergspitze unter Mittagssonne (Quelle: AP)
Die Eisschmelze am Nordpol nimmt extreme Ausmaße an (Archivbild)Bild: AP

Dramatisch sei auch das Verschwinden des Meereises in der Nordostpassage entlang der sibirischen Küste. Sie sei zwar noch nicht befahrbar wie die Nordwestpassage. Aber auch hier sei die Route nur noch teilweise von Eis versperrt. Die Wissenschaftler befürchten nun, dass die Eisdecke zum arktischen Sommer hin nicht nur immer weiter sondern auch früher zurückweichen könnte. Nun müsse untersucht werden, welche Auswirkungen dieser Schwund auf das lokale Öko-System und den Klimawandel haben könnte.

Bereits am Donnerstag hatte das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven darauf hingewiesen, dass die arktische Eisdecke nahe des geographischen Nordpols stellenweise deutlich dünner als noch vor sechs Jahren ist. Das Zentrum für Marine- und Atmosphärische Wissenschaften (ZMAW) der Universität Hamburg hatte ebenfalls gemeldet, die Eisfläche kurz vor Ende des arktischen Sommers sei so klein wie noch nie. In den 1980er Jahren seien noch 5,5 Millionen Quadratkilometer mit Meereis bedeckt gewesen. Modellrechnungen gehen nach Angaben des AWI davon aus, dass der arktische Ozean bereits in weniger als 50 Jahren während der Sommermonate vollständig eisfrei sein könnte. Experten machen die globale Erwärmung für das Abschmelzen des Eises verantwortlich.

Wirtschaftlicher Nutzen

Eisbrecher in vereister Fahrrinne (Quelle: AP)
Nützliche Eisschmelze: Kürzere SchifffahrtsroutenBild: AP

Dies könnte wirtschaftlich von großer Bedeutung sein, da sich über die nun eisfreie Nordwestpassage ein wesentlich kürzerer Seeweg zwischen dem Atlantik und dem Pazifik für die Schifffahrt öffnet. Das weckt Hoffnungen, dass der gesamte Seeweg vom Atlantik in den Pazifik früher als bislang angenommen vollständig für die Schifffahrt geöffnet werden könnte. Wann dies zu erwarten ist, wurde nicht gesagt.

Durch die Nordwestpassage würden Schiffe bis zu 6000 Kilometer an Fahrstrecke sparen. Umweltschützer sehen die Möglichkeit eines stärkeren Schiffsverkehrs in dem Gebiet aber kritisch. Sie befürchten, dass mögliche Ölunfälle das empfindliche Ökosystem beeinträchtigen könnten.

Eine weitgehend eisfreie Arktis würde das Gebiet selbst auch wirtschaftlich interessanter machen. Eine US-Studie kam jüngst zu dem Ergebnis, dass 25 Prozent aller bislang unentdeckten Öl- und Gasvorkommen in der Arktis liegen könnten. Russland hat in jüngster Zeit schon verstärkt territoriale Ansprüche geltend gemacht, die aber von den anderen Anrainern wie den USA und Norwegen zurückgewiesen werden. (rri)