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Eiskalte Premiere des Winters 2010/11

1. Dezember 2010

Lahmgelegte Flughäfen, Rutschpartien auf den Straßen: Massiv beeinträchtigt die erste Kältewelle dieses Winters das Alltagsleben in halb Europa. Doch schon verheißen die Meteorologen wieder Temperaturen im Plus-Bereich.

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Winterszene auf dem Flughafen München (Foto: dapd)
Am Flughafen München fielen 100 Starts und Landungen ausBild: AP

Kalt ist es derzeit in ganz Deutschland, im Osten herrscht allerdings eisige Kälte: Mit minus 17 Grad Celsius in der Nacht zum Mittwoch (01.12.2010) war das sächsische Kubschütz der frostigste Ort in der Bundesrepublik, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. In der Nacht zum Donnerstag sind laut DWD-Meteorologe Robert Scholz sogar bis zu 20 Grad Frost drin: "Temperaturtechnisch wird es in vielen Orten Deutschlands der kälteste Dezember- beziehungsweise meteorologische Winterbeginn seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sein."

"Gefühlte Temperatur von minus 50 Grad"

Auch auf dem 1.142 Meter hohen Brocken im Harz wurden minus 17 Grad gemessen. Bei Sturmböen mit Spitzen von 95 bis 100 Stundenkilometern ergebe sich dort eine gefühlte Temperatur von minus 50 Grad, so Scholz. Wegen des stürmischen Windes würden schon Minustemperaturen von wenig unter null Grad als strenger Frost empfunden. Und noch ein Temperaturrekord aus der Bundeshauptstadt: Der Berliner Stadtteil Dahlem meldete mit minus 10,9 Grad den kältesten 1.12. seit fast 80 Jahren.

Dabei ginge es noch viel, viel kälter: Der Frostrekord an einem 1. Dezember wurde 1973 in Memmingen in Baden-Württemberg mit minus 25 Grad erreicht. Dieser Wert könnte jetzt wieder erreicht werden: Es geht mit Dauerfrost und länger anhaltenden Schneefällen vor allem in den östlichen und südlichen Landesteilen Deutschlands weiter. In der Nacht zum Donnerstag muss in Sachsen, Thüringen und dem südlichen Brandenburg mit starken Schneeverwehungen und Verkehrsbehinderungen gerechnet werden; der DWD gab Unwetterwarnungen heraus. Strenger Frost bis minus 15 Grad kündigt sich an, bei längerem Aufklaren können örtlich bis minus 20 Grad erreicht werden.

Spaziergänger im Schneetreiben
Spaziergänge sind in dieser Jahreszeit kein Vergnügen.Bild: AP

Ein Meter Schnee auf der Zugspitze

Auch die Schneedecke wächst und wächst: Auf dem Brocken liegen 65 Zentimeter, in der Nacht zum Donnerstag könnten etwa 15 Zentimeter Neuschnee hinzukommen. Auf der Zugspitze liegt ein Meter Schnee, auf dem Fichtelberg sind es 61 Zentimeter, auf dem Großen Arber im Bayerischen Wald 57 Zentimeter. In Pelzerhaken in Schleswig-Holstein hat die Schneedecke eine Dicke von 27 Zentimetern, Chemnitz ist 24 Zentimeter hoch bedeckt.

Was die von den Meteorologen so fleißig erfassten Wetterphänomene dann alles anrichten, konnten die Bundesbürger auch am Morgen wieder hautnah erleben. In Thüringen behinderten unter der Schneelast umgestürzte Bäume den Autoverkehr. Eisglatte Straßen "verhalfen" dem Berufsverkehr zum Beispiel in Schleswig-Holstein zu Rutschpartien. Besonders Nebenstrecken in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Nordfriesland und Plön waren zum Teil spiegelglatt, so dass einige Fahrzeuge in Gräben oder gegen die Leitplanken rutschten. In Ostholstein blieben Schulen geschlossen.

Deutschlands größter Flughafen in Frankfurt/Main dagegen meldete nach dem Schneechaos der vergangenen Tage weitgehend normalen Betrieb. Etwa 120 Flüge seien ausgefallen, vor allem als Folge der Annullierungen des Vortags, sagte ein Sprecher. Mehr als Eis und Schnee machte dem Flughafen der Wind zu schaffen. Mit der Startbahn West wurde eine von drei Startbahnen mehrfach gesperrt. Es kam zu einigen Verspätungen. Am Flughafen München fielen rund 100 Starts und Landungen aus.

Verkehrsstau auf einer Landstraße nahe Bad Segeberg wegen Schneetreibens (Foto: dapd)
So wie hier nahe Bad Segeberg sah es auf vielen deutschen Straßen ausBild: dapd

Bereits acht Kältetote in Polen

In anderen Ländern gab es mehr Probleme: Heftiger Schneefall legte den Genfer Airport am Dienstagabend komplett lahm. Die Räumkolonnen bekamen die Pisten nicht mehr frei. Alle Flüge wurden gestrichen. Etwa 200 gestrandete Flugpassagiere kamen in Zivilschutzräumen unter, weitere 100 übernachteten im Flughafen. Auch die Flughäfen London-Gatwick und Edinburgh sagten am Mittwoch zeitweise jegliche Starts und Landungen ab.

In Frankreich standen mehr als 10.000 Lastwagen wegen Schneefalls still. In vielen Orten fielen auch Schulbusse aus. Besonders betroffen war Lyon, wo am Vormittag 20 Zentimeter Neuschnee lagen und kein einziger Bus fuhr. In Zentralfrankreich waren zunächst weiterhin etwa 300 Haushalte ohne Strom.

Ein Radlader räumt in Scharbeutz an der Ostsee Schneeverwehungen von den Strassen (Foto: dapd)
Ein Radlader räumt in Scharbeutz an der Ostsee Schneeverwehungen von den StraßenBild: dapd

In Polen, wo in der Nacht Temperaturen von bis zu minus 26 Grad gemessen wurden, erfroren schon acht Menschen - Männer zwischen 33 und 72 Jahren, die laut Polizei allesamt alkoholisiert gewesen waren. Ob es sich bei ihnen um Obdachlose handelte, wurde nicht mitgeteilt. Obdachlose Menschen sind bei diesen Temperaturen aber zweifellos am meisten gefährdet. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe forderte die Kommunen in Deutschland deshalb zu mehr Hilfen für Obdachlose auf. In vielen Städten seien die Unterkünfte in den vergangenen Nächten bereits überfüllt gewesen, teilte der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft, Thomas Specht mit.

In der kommenden Woche wärmer

Berge von Schnee bedecken Straßen und Wege.
Wege sind unter Bergen von Schnee schwer zu finden.Bild: AP

Im vergangenen Winter seien bundesweit mindestens 17 wohnungslose Männer erfroren - die höchste Zahl seit über zehn Jahren. Die Mehrzahl der Todesfälle habe sich in Klein- und Mittelstädten ereignet. Auch in ländlichen Kommunen seien aufgrund des kaum vorhandenen Hilfeangebots bei Minustemperaturen immer wieder Kälteopfer zu beklagen, so Specht weiter. Derzeit wird die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland auf bis zu 255.000 geschätzt.

Noch einmal zurück zu den Meteorologen, weil sie den Kältegeplagten Hoffnung auf Besserung geben können. Denn schon am Samstag geht im Westen der Schnee in Regen über. In der Nacht zum Sonntag wird sich voraussichtlich nur in Bayern und im Nordosten noch einmal strenger Frost unter minus zehn Grad einstellen. Am Sonntag steigen die Temperaturen im Westen in den positiven Bereich. Und Anfang kommender Woche sind laut Deutschem Wetterdienst auch wieder acht Grad drin.

Autor: Stephan Stickelmann (dpa, epd, dapd, afp)
Redaktion: Eleonore Uhlich