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Eiszeit zwischen Brüssel und Minsk?

29. Februar 2012

Nach neuen Sanktionen der EU gegen Belarus ist es zum diplomatischen Schlagabtausch gekommen. Die Abkühlung in den Beziehungen zur EU könnte Minsk weiter in die Arme Moskaus treiben, meinen Beobachter.

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Die Türen zum belarussischen Außenamt in Minsk (Foto: RIA Novosti)
Die Türen zum belarussischen Außenamt in MinskBild: RIA Novosti

Zwischen der EU und Belarus (Weißrussland) droht eine politische Eiszeit. Die EU hat alle ihre Botschafter aus Belarus zu Konsultationen abgezogen. Damit reagierte sie auf die Ankündigung der Führung in Minsk, ihre Botschafter für die EU und Polen zurückzubeordern und gleichzeitig die Botschafter von EU und Polen aus Belarus auszuweisen.

Das Vorgehen der Führung in Minsk ist eine Reaktion auf neue EU-Sanktionen, die tags zuvor wegen anhaltender Menschenrechtsverstöße in Belarus beschlossen wurden. Um den Druck zu erhöhen, hatten sich die EU-Außen- und Europaminister am Dienstagabend (28.02.12) auf Einreiseverbote und Vermögenssperren für 19 belarussische Richter und zwei Polizeibeamte verständigt. Die Staatsbeamten werden für Festnahmen und Verurteilungen von Regimegegnern verantwortlich gemacht. Sie ergänzen eine bestehende schwarze Liste der EU-Staaten mit Sanktionen gegen 210 belarussische Vertreter, die im Zusammenhang mit der Unterdrückung von Opposition und Zivilgesellschaft im Land stehen sollen.

Portrait von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton (Foto:Yves Logghe/AP/dapd)
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ordnete Abzug aller EU-Botschafter anBild: dapd

Experten: Negative Folgen für Belarus

Belarussische Menschrechtler und Oppositionspolitiker rechnen jetzt mit einer weiteren Verschärfung des Konflikts zwischen Brüssel und Minsk. Sie machen dafür vor allem den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko verantwortlich. "Lukaschenko hat dem Westen auf diplomatischen Kanälen faktisch den Krieg erklärt", meint der Vorsitzende der Vereinigten Bürgerpartei, Anatoli Lebedko. Für Belarus könnten die jüngsten Ereignisse katastrophale Folgen haben. Das Vorgehen der Führung in Minsk zeige, dass allein Präsident Alexander Lukaschenko die Politik bestimme und dessen Entscheidungen seien eben oft nur emotionaler Natur.

Portrait des Oppositionspolitikers Anatoli Lebedko (Foto:DW)
Oppositionspolitiker Lebedko macht Lukaschenko für Eskalation verantwortlichBild: DW

Auch der belarussische Politologe Waleri Karbalewitsch spricht von einer Zuspitzung der Lage. "Eine solche Eskalation hat es in den Beziehungen zwischen Belarus und der EU schon lange nicht mehr gegeben", sagte er der DW. Karbalewitsch glaubt, Lukaschenko habe die Krise bewusst herbei geführt. Auf das Vorgehen der belarussischen Führung werde die EU, so der Experte, mit weiteren Sanktionen reagieren. Karbalewitsch zählt zu den wichtigsten unabhängigen Kommentatoren in der belarussischen Medienlandschaft. Er ist Chefredakteur der Zeitschrift Gramadzjanskaja alternatiwa (Bürger-Alternative).

Alexander Klaskowski, ebenfalls unabhängiger belarussischer Politikwissenschaftler, sieht gar einen "diplomatischen Krieg" zwischen Brüssel und Minsk. Der Konflikt eskaliere. Um das Gesicht zu wahren, antworte jede Seite mit immer härteren Gegenmaßnahmen. Für Belarus bedeute dies nichts Gutes, befürchtet Klaskowski. "Einen Wirtschaftskrieg mit der EU kann die belarussische Regierung nicht führen, also wird sie im Lande die Opposition, Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien noch weiter unter Druck setzen", so der Experte.

Wendet sich Minsk noch mehr Moskau zu?

Experten und Oppositionelle befürchten, dass ihr international weitgehend isoliertes Land jetzt in eine noch größere Abhängigkeit von Russland geraten könnte. Außenpolitisch werde sich Belarus nun stärker Moskau zuwenden, glaubt der Oppositionspolitiker Witali Rymaschewski. "Der politische Fehler der Führung in Minsk hat katastrophale Folgen für Belarus. Er vertieft die Abhängigkeit von Russland", unterstrich er. Auch der Oppositionspolitiker Grigori Kostussew sagte in Minsk: "Dieser Weg führt geradezu in die Arme des Kreml."

Die Präsidenten von Belarus, Russland und Kasachstan (Foto:RIA Novosti, Dmitry Astakhov, Presidential Press Service/AP/dapd)
Die Präsidenten von Belarus, Russland und Kasachstan wollen eine Eurasische Union schaffenBild: dapd

Dagegen erklärte der belarussische Außenamtssprecher Andrej Sawinych, der Abzug der EU-Botschafter könnte durchaus "positive Folgen" haben. "Wenn sie zu Hause deutlich machen, dass Druck auf Minsk perspektivlos ist, könnte dies einen konstruktiven Dialog ermöglichen", sagte er in Minsk. Brüssel und die anderen Hauptstädte sollten nicht vergessen, dass eine Politik der Einschüchterung zu nichts führe, so der Außenamtssprecher.

Autor: Markian Ostaptschuk (mit afp, dpa)
Redaktion: Bernd Johann