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Eiszeit zwischen Russland und Belarus

11. Januar 2007

Mit der einst viel gerühmten "Druschba", der Freundschaft zwischen Minsk und Moskau ist es erst einmal vorbei: Der Streit um Öl- und Gaspreise, um Pipelines und Zölle hat die beiden ungleichen "Bruderstaaten" entzweit.

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Bild: dpa

Wir lassen uns nicht einschüchtern und wir werden unsere Souveränität nicht aufgeben, tönt es aus Minsk. Mittlerweile ist vom Bruderzwist zwischen Russland und Belarus die Rede. Präsident Aleksandr Lukaschenko erklärte: "Ressourcen sollten nicht als Mittel der Erpressung unseres Volkes eingesetzt werden. Deswegen verteidige ich entschieden die Interessen der Bevölkerung. Wir tun das zivilisiert und auf der Basis des Rechts. Soweit meine Kraft reicht werde ich die Errungenschaften schützen, die wir heute haben. Wir müssen die Probleme, die vor uns liegen, entschlossen lösen."

Dabei hatte alles so schön begonnen: In den 90er Jahren, noch unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin und dem heute noch herrschenden Lukaschenko, schwor man sich unverbrüchliche Treue. Einen Unionsstaat wollten beide Länder bilden - mit gemeinsamen Strukturen, einer gemeinsamen Währung, vielleicht sogar einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Am Ende stand bei manchen Verfechtern der Idee sogar die Vision von der Wiedergeburt einer neuen Sowjetunion. Weit ist man damit nicht gekommen.

Streit zwischen David und Goliath

Seit in den Kreml Wladimir Putin eingezogen ist wurde klar: Russland beanspruchte in dem Unionsbündnis eine Führungsrolle. Der belarussische Präsident dagegen sprach von Augenhöhe und Gleichberechtigung, meinte aber damit, dass die Führung nur ihm gebühre. Aus dem Bekenntnis zur Freundschaft wurde ein Lippenbekenntnis. Fortan sah es mehr aus nach einem Streit zwischen David und Goliath, denn das Ungleichgewicht zwischen beiden Staaten ist offensichtlich.

Russland hat rund 143 Millionen Einwohner, Belarus zehn Millionen. Russland ist das größte Land der Erde mit einer Fläche von gut 17 Millionen Quadratkilometern. Belarus verfügt dagegen über rund 208.000 Quadratkilometer. Russlands Wirtschaftskraft übertrifft die des belarussischen Nachbarn um ein Vielfaches. Belarus ist auf die Öllieferungen aus und Exporte nach Russland angewiesen. Nach einer Studie der Weltbank macht die Brennstoff- und Ölverarbeitung fast ein Drittel der belarussischen Industrieproduktion aus. Ölprodukte stellen den größten Teil der Ausfuhren in die Europäische Union.

Auch das Verhältnis der Bevölkerungen zu ihren Präsidenten spricht Bände: Aleksandr Lukaschenko wird im Volksmund "Batka" gerufen, "Väterchen". Ganz anders Putin: Von ihm wird berichtet, dass er sich in seiner Umgebung gerne "Woschd", "Führer", nennen lässt.

Trennende Ansichten

Eine Zeitlang war das Lukaschenko-Modell eines autoritären, neosowjetischen Staates mit Kommandowirtschaft und staatlich aufgepäppelten Betrieben für die russischen Nachbarn noch attraktiv. Seit in Russland der Dollar regiert, seit man auf große Energiegeschäfte mit Europa setzt, seit nicht nur Öl und Gas, sondern auch das Geld in Strömen fließt, ist das anders geworden. Jetzt erscheint Belarus als hinterwäldlerisch und unattraktiv.

In Belarus dagegen, wo man gerne darauf pocht, dass man die eigentliche, die "echte" slawische Nation ist, die guten Traditionen aus sowjetischer Zeit pflegt und an einen gesellschaftlichen Wandel nicht denkt, geißelt man heute Russland immer häufiger als einen Hort kapitalistischer Unmoral, der Prostitution, des Verfalls.

Traurige Gemeinsamkeiten

Während Russland sich - trotz aller Kritik aus dem Westen - auf die Unterstützung Europas und besonders Deutschlands verlassen kann, steht Lukaschenkos Belarus da als das Schmuddelkind am Rande der Europäischen Union. Solidarität mit Belarus - in Brüssel hält man sich damit zurück. Umso mehr ist den belarussischen staatlichen Medien daran gelegen, die Bevölkerung mit Durchhalteparolen zu beruhigen. Die staatlichen Zeitungen titeln "Der belarussische Rubel bleibt stabil" oder "Keine Panik an den Tankstellen" oder "Preiserhöhungen werden sich nicht auf das Einkommen auswirken".

Trotz des Streits gibt es zwischen Russland und Belarus nach wie vor Gemeinsamkeiten beim Thema Grund- und Menschenrechte. In beiden Ländern ist die Pressefreiheit stark eingeschränkt, in beiden gibt es keine Opposition, die frei und ungehindert agieren kann. In beiden werden Nichtregierungsorganisationen, NGOs, diskriminiert und verfolgt.

Cornelia Rabitz
DW-RADIO/Russisch, 9.1.2007, Fokus Ost-Südost