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Elektroauto ohne Spannung

Sabine Kinkartz25. Mai 2012

Als ökologische Heilsbringer euphorisch gefeiert: Nach dem Willen der Bundesregierung sollen 2020 eine Million Elektroautos in Deutschland unterwegs sein. Aktuell sind es nur knapp 4600.

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Ein Mitarbeiter der Stadtwerke Aachen schließt ein Elektroauto an eine Ladestation in der Kölner Innenstadt an. Foto: Oliver Berg dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Bild: picture-alliance/dpa

"Hässlich und teuer", diese beiden Begriffe fallen dem Vorsitzenden des Beirats des Bundesverbandes eMobilität (BEM) spontan ein, wenn er die aktuell erhältlichen Elektroautos beschreiben soll. "Das größte Einführungsproblem ist, dass es derzeit kein marktgerechtes Angebot gibt", sagt Jan Traencker. Ein Elektromobil sei ein Konsumprodukt. "Deutsche Kunden kaufen in erster Linie deutsche Autos, weil sie hohe Ansprüche an Qualität, Sicherheit, Design und an das Markenimage haben." Erst wenn diese Ansprüche bedient würden, könne das Elektroauto in Deutschland zum Massenprodukt werden. "Bitte baut sexy E-Autos!", lautet daher sein Appell an die Hersteller.

15 elektrifizierte Modelle "Made in Germany" sollen bis 2014 auf den Markt kommen. Ob sie beim Käufer tatsächlich Begehrlichkeiten wecken werden, muss sich zeigen. Die aktuell erhältlichen Modelle können es jedenfalls nicht. Ob Peugeot iOn, Nissan Leaf, Mitsubishi i-MiEV, Renault Kangoo Z.E., Opel Ampera, Smart Fortwo ED – jenseits des elektrischen Antriebs bringen sie dem Käufer nur Nachteile. Die E-Mobile kosten rund dreimal so viel wie Autos mit Verbrennungsmotor und sind mit Mängeln wie kurzen Reichweiten, fehlenden Lademöglichkeiten und vergleichsweise unzuverlässiger Technik verbunden. So kann sich die in der Theorie bewiesene Erkenntnis, dass Elektroautos das ideale Fortbewegungsmittel für die Stadt sind, in der Praxis kaum durchsetzen.

BMW i3 Concept von der Seite mit offenen Türen. Quelle: BMW
Klein und praktisch: Können Autos wie der ab 2013 erhältliche BMW i3 Begehrlichkeiten wecken?Bild: BMW

Keine Kaufprämien in Sicht

4541 Elektroautos sind derzeit in Deutschland zugelassen. Fast alle im Auftrag von Unternehmen oder zu Marketingzwecken. Eine Tatsache, die auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer "ernüchternd" findet. Man könne technische und gesellschaftliche Entwicklungen aber weder per Dekret beschleunigen noch erzwingen. Gewisse Prozesse bräuchten ihre Zeit, um zu reifen. Trotzdem besteht Ramsauer darauf, dass die Elektromobilität in Deutschland "ein gewaltiges Stück vorangekommen" sei. Mit seinem alle Branchen einbeziehenden, technologieoffenen Ansatz sei das Land "gut unterwegs". Man könne ruhig Marktführer in einer Nische sein, wenn man später Marktführer auf dem Massenmarkt werden wolle.

Dieser Ansicht ist auch Henning Kagermann, der Vorsitzende der Nationalen Plattform Elektromobilität. In der NPE hatten sich vor zwei Jahren auf Betreiben der Bundesregierung Automobilbauer, Energieversorger, Zulieferer, Wissenschaftler und Gewerkschafter zusammengeschlossen. Deutschland werde sein Ziel, Leitmarkt und Leitanbieter zu werden, auf jeden Fall erreichen, sagt Kagermann. Die Industrie investiere gewaltig. Innerhalb der Marktvorbereitungsphase bis 2014 würden alleine bis zu 17 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung gesteckt. Die NPE sei inzwischen auch wesentlich zuversichtlicher, dass es eine integrierte Batterieproduktion in Deutschland geben werde.

Doch auch Kagermann läßt keinen Zweifel daran, dass sich die Elektromobilität in Deutschland ohne ein "Maßnahmenpaket zur Marktstimulation" nicht durchsetzen wird. Wie das aussehen kann, darüber gehen die Meinungen allerdings nach wie vor auseinander. Den Vorwurf, die Elektromobilität in Deutschland zu wenig zu fördern, will der Bundesverkehrsminister nicht akzeptieren. Für die Marktvorbereitung sowie Forschung und Entwicklung wurden bislang 500 Millionen Euro eingesetzt, eine Milliarde Euro soll bis zum Ende der Legislaturperiode im September 2013 folgen. Demnächst werde die Bundesregierung über die Kfz-Steuer und über Sonderabschreibungen für Elektromobile entscheiden. Außerdem sei eine öffentliche Beschaffungsinitiative geplant.

Windräder drehen sich unweit des brandenburgischen Ortes Mallnow (Märkisch-Oderlan (c) dpa
Erst wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt, wird das Elektroauto die Umwelt schonenBild: PRNewsFoto/Tigercomm

Teures Vergnügen

Staatliche Kaufprämien, wie sie in anderen Ländern ganz selbstverständlich gezahlt werden, lehnt die Bundesregierung allerdings nach wie vor ab. Er habe durchaus Verständnis für solche Forderungen, so Ramsauer. Es sei ja geradezu Teil der deutschen Diskussionskultur, immer sofort nach staatlichen Zuschüssen zu fragen. Wenn aber 5000 Euro pro Auto gezahlt würden, dann wären das bei der anvisierten Zielmarke von einer Million Elektroautos bis 2020 immerhin fünf Milliarden Euro. "Das ist genau die Summe, die ich pro Jahr für den Ausbau und die Instandhaltung des Straßennetzes zur Verfügung habe", so Ramsauer.

Es soll also ohne Zuschüsse gehen. Wie schwierig das sein wird, zeigt ein Blick auf die deutschen Autovermieter. Das Carsharing-Unternehmen Car2go, eine Daimler-Tochter, bietet in vier großen deutschen Städten und weiteren acht Städten weltweit Fahrzeuge vom Typ Smart als Mietwagen an. Der Smart wird von Daimler auch als Elektroauto gebaut. Trotzdem, so räumt Robert Henrich, Geschäftsführer von Car2go ein, seien von den mehr als 4000 Autos, die sein Unternehmen vermiete, nur 625 elektrisch angetrieben.

Das liegt zum einen an der noch mangelhaften Infrastruktur. Es gebe einfach zu wenige Ladesäulen für E-Mobile und jede Zweite funktioniere nicht. Zum anderen ist es für Henrich aber auch eine Frage der Kalkulation. Pro Auto und Tag setzt sein Unternehmen für Abschreibung, Parkgebühren und Sprit 400 Euro an. Diese Summe muss er bei den Elektroautos wegen der hohen Anschaffungspreise aber allein für die Abschreibung ansetzen. "Fürs Parken und Aufladen bleibt dann nichts übrig", so Henrich.

Drei Autos des Carsharing-Anbieters Flinkster. Im Vordergrund stehen Leihräder der Bahn. Foto: Wolfgang Kumm dpa/lbn
Auch der DB Carsharing-Anbieter Flinkster bietet noch kaum Elektroautos anBild: picture-alliance/dpa

Mobilität neu denken

Nicht nur die Autovermieter fordern daher mehr Nutzungsanreize für die Elektromobilität. Um zu begreifen, was damit gemeint ist, lohnt sich ein Blick in andere Länder. In Amsterdam beispielsweise fallen für Autos mit Verbrennungsmotor pro Stunde fünf Euro Parkgebühren an. Elektroautos hingegen parken nicht nur umsonst, sondern sie können auch an den zahlreichen Ladesäulen in der Stadt unentgeltlich mit Strom betankt werden.

Ähnliche Konzepte fordert der Wissenschaftler und Leiter der Geschäftsentwicklung der Fuhrparkgruppe der Deutschen Bahn, Andreas Knie, auch für Deutschland. Seiner Meinung nach müssten sich in Zukunft allerdings die gesamten Rahmenbedingungen für die Mobilität verändern. Es gehe um ein neues System, eine neue Idee des Autos. Alle zur Verfügung stehenden Fahrzeuge, also Autos, Busse, Bahnen und Fahrräder müssten miteinander vernetzt und Teil des öffentlichen Verkehrs werden. Das elektrische Fahrzeug könnte so zu einem Bindeglied in einer systemisch vernetzten Dienstleistung werden.

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg und es besteht durchaus die Gefahr, dass der Elektromobilität angesichts deutlicher Verbesserungen bei den konkurrierenden Antriebsarten die Luft ausgeht. Von solch düsteren Prognosen will der NPE-Vorsitzende Henning Kagermann allerdings nichts wissen. Er finde es toll, dass die Verbrennungsmotoren optimiert würden, betont er. Die Elektromobilität sei nie als alleinige Form der Mobilität gedacht gewesen, sondern nur als Fortbewegungsmittel für kurze Strecken in einem Gesamtkonzept aus Verbrennungsmotor, Wasserstoff-Brennstoffzelle und alternativen Treibstoffen.

Auf die Frage, warum der Hype um die Elektromobilität eigentlich erlahmt sei, hat Kagermann ebenfalls eine einfache Antwort: Euphorisch könne man nur sein, wenn man nicht arbeite. Nach einer Phase der Aufbruchstimmung sei man inzwischen aber bei der harten Arbeit angekommen.