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Elena Ferrante "Die Geschichte der getrennten Wege"

Silke Wünsch
28. August 2017

Die erfolgreiche neapolitanische Saga geht weiter. Der dritte Teil ist da, die beiden Hauptfiguren Lila und Lenù sind erwachsen. Schon lange gehen die beiden getrennte Wege, auch durch die wilden 70er.

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Buchcover Elena Ferrante
Die Geschichte der getrennten Wege - Band 3

Begonnen hat die Geschichte von Lila und Elena, genannt Lenù, aus dem Rione, einem ärmlichen Viertel von Neapel, um 1955. Die beiden Mädchen sind noch klein, gehen zur Schule und schlagen sich durch das harte Leben in ihrem Viertel. Wenig Liebe, häusliche Gewalt, Dreck und Armut bestimmen ihr Leben. Die Mädchen finden ihre Nischen, können spielen, sich verstecken. Sie wetteifern darum, wer die andere übertrumpfen kann: ob Mathemathik, Geschichten schreiben, Mutproben oder Jungen ärgern. Lila ist stets die Stärkere, Elena schaut zu ihr auf, während Elena sich ihr Können mühsam erarbeiten muss, fliegt Lila alles einfach zu.

Italien Zwei Frauen hängen Wäsche auf in Neapel der 50er
Straßenszene aus den 50er Jahren in NeapelBild: Getty Images/Hulton Archive/Keystone Features

Nach der Grundschule darf Lila nicht auf eine höhere Schule gehen, sondern lernt das Schusterhandwerk. Sie wächst zu einer kapriziösen und attraktiven jungen Frau heran. Sie heiratet früh, führt zwei Geschäfte und lebt in guten Verhältnissen. Ein Kind kommt auf die Welt und die Ehe scheitert, als sich Lila in Nino Sarratone verliebt. Sie gibt ihren Wohlstand auf, erzieht ihr Kind alleine und verdient sich ein bisschen Geld bei einem Knochenjob in einer Wurstfabrik.

Währenddessen hat Elena geackert, in der Schule war sie die typische Streberin, von Lehrern geliebt und gefördert, von Mitschülern argwöhnisch beäugt. Sie schafft die Schule mit Bravour, studiert und lernt Leute kennen, die ihr den Weg in eine gute Zukunft ebnen. Auch sie ist in Nino Sarratone verliebt - heimlich und hoffnungslos. Sie erträgt Lilas Beziehung mit ihm und verlobt sich mit einem Mann aus gutem Hause. Für sie sieht alles super aus - sie hat Armut, Dreck und Gewalt aus ihrer Kindheit hinter sich gelassen und gerade ihren ersten Roman geschrieben. Bei einer Lesung sieht sie völlig unvorbereitet Nino wieder. Mit diesem Cliffhanger endet der zweite Teil der Saga.

Gespräch auf einer Bank/ Neapel 1953 - Conversation on a bench / Naples 1953 -
Kinder hatten in den 50er Jahren zu funktionierenBild: picture-alliance/akg-images/P. Almasy

Kampf um den selben Mann

Zu Beginn des dritten Teils steht Elena völlig verwirrt zwischen den beiden Männern - dem einen, den sie heimlich liebt, dem anderen, den sie schließlich auch heiraten wird. Ehemann Pietro ist eine gute Partie, Elena macht Karriere und bekommt ein Kind. Währenddessen fristet Lila weiter ihr Dasein und versucht sich und ihre Kinder unter unwürdigsten Bedingungen über Wasser zu halten. Beide Frauen leben in zwei völlig verschiedenen Welten - doch keine kommt wirklich von der anderen los. Bis sich Nino Sarratone zu einem wirklich großen Problem für die beiden entwickelt.

Nach der "Geschichte der getrennten Wege" wird noch ein vierter Teil folgen - mit dem Titel "Die Geschichte des verlorenen Kindes". Am Ende dieses letzten Teils wird der Leser erfahren, warum Lila mit 66 Jahren plötzlich spurlos verschwunden ist. Denn mit diesem Verschwinden beginnt das erste Buch - es ist der Grund, warum Elena beginnt, die Geschichte der beiden Freundinnen niederzuschreiben.

Frau auf einer bank an der Seepromenade von Neapel (50er jahre)
Ferrante möchte so unbekannt bleiben wie diese Frau an der Promenade von NeapelBild: imago/G. Leber

Geheimnis gelüftet

Elena ist Elena Ferrante - ein Pseudonym, das sich die italienische Schriftstellerin seit dem Erscheinen ihres ersten Buches zugelegt hat, weil sie ihre Ruhe haben wollte. Vielleicht hat sie nicht damit gerechnet, dass sie Weltbestseller mit Millionenauflagen schreiben würde. Doch sie blieb sich treu. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sie immer wieder gerne den Literaturbetrieb kritisiert, vor allem die Tatsache, dass man die Person des Autoren wichtiger nimmt als sein Werk. Das ging mehr als zwei Jahrzehnte lang gut, bis sich im vergangenen Jahr ein paar besonders eifrige "investigative" Journalisten an ihre Fersen hefteten um ihre Identität zu enthüllen.

Die Zeichen deuteten auf die Übersetzerin Anita Raja hin, die Medienberichten zufolge sogar mit ihrem Mann, einem Verleger, gemeinsame Sache macht. Man verschaffte sich Zugang zu Rajas Konten, studierte Grundbuchenträge und enttarnte die Schriftstellerin schließlich. Beteiligt an diesem "Fahndungserfolg" waren vier große europäische Tageszeitungen, darunter auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, wo der entsprechende Bericht des beteiligten Journalisten Claudio Gatti dann auch zu lesen war. 

Alle sind verrückt nach Elenate Ferrante

Ausschnitt Cover "Meine geniale Freundin" von Elena Ferrante
Ausschnitt des Buchcovers von "Meine geniale Freundin"Bild: Suhrkamp

In Italien ist Elena Ferrante schon lange eine erfolgreiche Schriftstellerin, ihr erstes Buch erschien 1992, das 1994 auch in der deutschen Fassung veröffentlicht wurde. Der große Hype um sie begann aber erst mit der Tetralogie um die beiden Mädchen aus Neapel. 2011 erschien der erste Band "Meine geniale Freundin" in Italien. Zwei Jahre später erlagen US-amerikanische Leser der eindringlichen und bildhaften Sprache Ferrantes.

Erst im August 2016 kam "Meine geniale Freundin" in Deutschland auf den Markt - seitdem sind Leserinnen und Leser auch hierzulande verrückt nach Ferrantes Büchern. Nach dem Erscheinen des letzten Bandes der Neapolitanischen Saga - voraussichtlich am 4. Februar 2018 - wird der Suhrkamp-Verlag weitere deutsche Fassungen von Ferrantes Romanen veröffentlichen.