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Elfenbeinküste vor Bürgerkrieg?

6. Dezember 2010

Die ersten Vermittlungsgespräche von Südafrikas früherem Präsidenten Mbeki in dem Machtkampf in der Elfenbeinküste haben offenbar keine Entspannung gebracht. Dem Land droht ein Rückfall in Anarchie und Gewalt.

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Thabo Mbeki nach den erfolglosen Vermittlungsgesprächen in der Elfenbeinküste (Foto: ap)
Thabo Mbeki nach seinen VermittlungsgesprächenBild: AP

Erst über Jahre keinen durch demokratische Wahl legitimierten Präsidenten – und jetzt gleich zwei. Für die Elfenbeinküste ist das nicht gut. Endlich, nach einem Jahrzehnt Stillstand und wirtschaftlichem Niedergang, sollte mit der Wahl Ende November der Weg wieder frei werden für das wirtschaftliche und politische "Powerhouse" Westafrikas, die Elfenbeinküste. Endlich sollte es eine legitimierte und handlungsfähige Regierung geben, die das Land wieder zu dem macht, was es einmal war: zu einem an Ressourcen reichen Staat, dessen Bildungssystem und soziale Fürsorge als Vorbild gelten. Die Elfenbeinküste sollte wieder werden, was sie mal war bis in die neunziger Jahre: Wirtschaftsmotor der ganzen Region.

Das hoffte die internationale Staatengemeinschaft, die seit sieben Jahren mit viel Geld eine UN-Mission dort finanzierte. Das hofften die afrikanischen Nachbarn, die auf passierbare Straßen, auf sichere Verkehrswege und den Zugang zum ivorischen Seehafen Abidjan angewiesen sind. Und das hofften vor allem Mittelschicht und Wirtschaft im Land, die viel zu lange in die Sogwirkung des wirtschaftlichen Abschwungs geraten waren.

Von der ivorischen Wirtschaftskraft nichts übrig

Trocknen von Kakaobohnen (Foto: Schaeffer)
Durch den Kakaoanbau ging es dem Land einmal gutBild: DW

Die Elfenbeinküste war einmal ein Land mit großer Strahlkraft: Französische Eltern schickten noch bis in die achtziger Jahre hinein ihre Kinder zum Studium dorthin, weil das Niveau der akademischen Ausbildung sehr gut war, das Land sicher. Einst wurde Abidjan das "Manhattan Westafrikas" genannt. Wertvolle Bodenschätze im Norden, der Kakaoanbau, der Handel mit Gütern und der große Hafen Abidjan sorgten dafür, dass es den Menschen in der Elfenbeinküste gut ging. Doch von der ivorischen Wirtschaftskraft ist nicht viel übrig geblieben. Die letzten Wahlen fanden im Jahr 2000 statt; seit einem Militärputsch 2002 ist das Land politisch geteilt. Den Norden kontrollieren die Rebellen der "Forces Nouvelles", im Süden hat die Regierungsarmee das Sagen. Sicher ist es weder in der einen noch in der anderen Region: Lastwagen und Autos werden von Straßensperren angehalten, die Fahrer um Geld erpresst. Weder der wertvolle Rohstoff Kakao, noch Agrarprodukte aus den Nachbarländen können ungehindert passieren.

Sprengstoff: acht Millionen Arbeitslose

Jugendliche in der Elfenbeinküste (Foto:ap)
Gewaltbereitschaft in der ElfenbeinküsteBild: AP

Das Land hat einen wirtschaftlichen Absturz erlebt, der so - selbst im afrikanischen Vergleich - seinesgleichen sucht. Das erste Opfer der Krise ist die breite Bevölkerung, sind vor allem aber auch die Jugendlichen im Land. Acht Millionen arbeitslose junge Leute – Sprengstoff in der jetzigen Krise. Von ihnen könnte erneut Gewalt ausgehen. Noch gefährlicher allerdings sind die gut organisierten Bewegungen hinter den beiden Kontrahenten, die das Präsidentenamt beanspruchen. Hinter Ouattara - dem Kandidaten, der nun von der internationalen Gemeinschaft als Wahlsieger anerkannt wurde - stehen die Rebellen im Norden des Landes. Und hinter Laurent Gbagbo die para-militärische Jugendorganisation der "jungen Patrioten" – und vor allem das Militär. Beide Seiten sind zu Gewalt bereit, haben schon vor der Wahl damit gedroht.

Kein politischer Willen für den Frieden

Frau an der Wahlurne (Foto:ap)
Historische Wahl mit ungewissem AusgangBild: AP

Dass die Elfenbeinküste selbst den Weg aus der Krise findet, daran glaubt im Land keiner. Es fehlt am politischen Willen, die Krise endlich zu beenden. Das Land habe mehr Friedenschlüsse erlebt als zur Beendigung des zweiten Weltkriegs nötig gewesen seien, kritisiert zum Beispiel der Chef der Industrie- und Handelskammer im Land, Jean-Louis Billon. Bereits im Wahlkampf wurde mit scharfer Munition gekämpft. Beide Seiten fütterten ihre jeweiligen Medien mit dumpfen Verdächtigungen und Hasstiraden gegen die jeweils andere Seite. Die beiden Kontrahenten Ouattara und Gbagbo gelten als "Dinosaurier" der ivorischen Politik; sie kennen und bekämpfen einander seit den neunziger Jahren. Demokraten sind sie beide nicht, sondern korrupt und auf den eigenen Vorteil bedacht.

Es droht die Destabilisierung Westafrikas

Weil die politisch Verantwortlichen so sind, steht die Elfenbeinküste nun kurz vor einem Rückfall in den Bürgerkrieg – und das ist eine große Gefahr für die ganze Region Westafrika. Das Land ist ein Schlüssel für Sicherheit und Stabilität in ganz Westafrika, einer Region, aus der auch heute schon viele der illegalen Flüchtlinge in Richtung Europa stammen. Würde die Elfenbeinküste tatsächlich in den Bürgerkrieg zurückfallen, so hätte das Auswirkungen auf Sierra Leone und Liberia, die beide selbst noch mit den Folgen eines Bürgerkriegs zu kämpfen haben. Und es könnte die ohnehin politisch und wirtschaftlich kaum handlungsfähigen Sahel-Nachbarn, wie Mali und Burkina Faso, destabilisieren. Verheerende Auswirkungen auf die Sicherheit der Menschen in der ganzen Region wären die Folge. Auch deshalb werden die Afrikanische Union und die Internationale Staatengemeinschaft ihre Bemühungen um den Frieden in den kommenden Tagen weiter intensivieren.

Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Klaudia Pape