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Brok fordert glaubwürdige Abschreckung

Christoph Hasselbach8. Mai 2014

Der deutsche CDU-Europapolitiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament will eine Debatte über eine dauerhafte Truppenstationierung in den östlichen NATO-Staaten.

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Elmar Brok / EU-Parlament / CDU / EVP
Bild: dapd

DW: Herr Brok, eine Stationierung von Truppen im Osten wäre eine Abweichung von der bisherigen Praxis. Würde das nicht die Konfrontation mit Russland weiter verschärfen?

Elmar Brok: Bisher war es die richtige Politik, das zu vermeiden. Aber wir müssen jetzt verstehen, dass aufgrund der russischen Aggressionspolitik in den baltischen Ländern oder in Polen große Ängste bestehen, so wie in Deutschland bis 1989. Und deswegen soll man erwägen und überprüfen, ob eine Stationierung von Truppen notwendig ist, wenn die Putinsche Aggressionspolitik sich fortsetzen sollte.

Für wie ernst halten Sie eine Bedrohung der NATO-Verbündeten im Osten?

Es gibt Szenarien, dass Russland große Teile der Ukraine einnimmt und dass auch Moldawien Opfer dieser nationalistischen russischen Strategie sein könnte. Das würde bedeuten, dass Russland dann überall an NATO- und EU-Grenzen steht. Und die Argumentation, die man bei der Annexion der Krim verwendet hat, passt auch genau auf die baltischen Staaten.

Wäre denn die NATO überhaupt in der Lage, einen russischen Einmarsch zum Beispiel in Estland zu verhindern?

Dazu wäre sie heute nicht in der Lage. Und deswegen ist es ja notwendig, wenn das wirklich zu einer Möglichkeit russischer Politik wird, dass man erwägt, was man da machen kann. Denn es gibt ja hier eine klare NATO-Verpflichtung, und es muss auch klargemacht werden, dass Russland hier Risiken eingeht. Diese Abschreckung hat ja auch im Kalten Krieg den Frieden gesichert. Deswegen müssen wir neue Überlegung anstellen. Aber ich hoffe immer noch, dass in den nächsten Tagen die diplomatischen Mittel funktionieren und Russland einen Weg einschlägt, der keine Fortsetzung der Aggressionspolitik beeinhaltet.

Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied. Heißt das, die Ukraine hatte einfach das Pech, zu spät zu kommen, und ist jetzt der russischen Machtpolitik ausgeliefert?

Es gibt eine Verpflichtung, aus Bündnisverträgen heraus, nur gegenüber NATO-Staaten. Und deswegen hat man ja auch die bisher richtige Entscheidung getroffen, dass wegen der Ukraine von unserer Seite kein Militär eingesetzt wird. Beim Angriff auf NATO-Territorium wäre ja eine Art Automatismus aus Artikel 5 (Bündnisfall, der die NATO-Mitglieder zu gemeinsamer Verteidigung verpflichtet, d. Red.) vorhanden. Und ich glaube, wichtig ist, Russland zu signalisieren: Übertreib es nicht und kehr zu völkerrechtsgemäßer Politik zurück!

Wie groß ist die Zäsur, die durch die Ukraine-Krise entsteht? Sind wir tatsächlich wieder in der Zeit der Blockkonfrontation bis 1989 angekommen oder vielleicht sogar im 19. Jahrhundert?

Es ist eher das 19. Jahrhundert, aber aufgrund der modernen Waffen mit Konsequenzen wie zu Zeiten des Kalten Krieges im Atomzeitalter. Und deswegen hatten wir ja seit 25 Jahren gehofft, dass die Regeln der Schlussakte von Helsinki - die rechtlichen Verpflichtungen aller Beteiligten, die territoriale Integrität eines Landes zu akzeptieren - so etwas nicht möglich machen. Und wenn mir jemand vor sechs Wochen erzählt hätte, dass das doch passieren würde, hätte ich das für unmöglich gehalten.

Elmar Brok ist ein deutscher CDU-Europapolitiker und Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament.