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Elvis-Hüftschwung für alle

Marlis Schaum18. August 2006

Im hessischen Kurort Bad Nauheim ist Elvis los. Fünf Tage feiern Liebhaber den Sänger mit Kultur statt Kitsch. Doch das Europäische Elvis Festival ist erstmal anders als erwartet.

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Beim Festival immer dabei und locker in der Hüfte - Philip Marks aus Detroit, USABild: DW/Marlies Schaum

Philip Marks ist der Liebling des Kamerateams, denn er hat als einziger Fan eine wohlfrisierte Tolle. Behutsam hält er eine blaue Kerze in der Hand, geht drei Schritte, beugt sich vor, schaut besonnen und stellt sie vorsichtig neben der Gedenkstehle ab. Für Elvis eben, zum Todestag. Aber das Team ist noch nicht zufrieden. Nochmal von vorne, ein wenig schneller gehen und ja, so ist gut. Alles im Kasten.

Eleonore Maiwald, Fan aus Berlin
Ein Elvis-Fan mit allem, was dazu gehört: Eleonore Maiwald aus BerlinBild: DW/Marlies Schaum

Es ist der erste Tag des 5. Europäischen Elvis Festivals. Noch sind mehr Journalisten da als Fans. Und Klaus Ritt freut das. Denn die Journalisten werden an diesem Mittwochnachmittag nicht finden, was sie suchen: verrückt maskierte Elvis Fans mit Perücken und Glitzeranzug. "Ich bin wirklich etwas genervt von den Vorstellungen der Medien über dieses Festival. Das ist kein Verblödelungs-Treffen, sondern eine Kulturveranstaltung", sagt der Vorsitzende des Elvis-Presley-Vereins Bad Nauheim-Friedberg, "hier geht es um die Musik von Elvis und wenn etwas Qualität hatte, dann seine Musik. Dafür soll es hier nur das Feinste vom Feinsten geben."

Die Hüfte der Befreiung

Eine ganztägige Elvis-Presley-Stadtrundfahrt zum Beispiel, mit Zeitzeugen, die den King noch hautnah erlebt haben während seiner Militärzeit 1958-1960 in Bad Nauheim und dem benachbarten Friedberg. Eine Kunstausstellung, viele Konzerte und eine Cadillac-Parade. "Am Freitag geht das erst so richtig los", sagt Ritt, "dann kommen die wirklich Festival-Interessierten. Die Hard-Core-Fans kommen an jedem Todestag, das sollen die auch haben, aber das ist nicht die Masse."

Elvis-Gedenkkarte
'Always on my mind': Blumen für den KingBild: DW/Marlies Schaum

Also raufen sich die Journalisten um das Dutzend Fans, das sich neben der Gedenkstehle für Elvis aufgebaut hat. Hans-Hugo Rudloff ist da aus Ennepetal. Er ist fast 70 Jahre alt und sieht aus wie 50. In Jeansjacke und Memphis-T-shirt beobachtet er das Gedenkspektakel. "Ich habe die Elvis TV-Show 'Aloah from Hawaii' 1973 noch mit einer Super 8 Kamera vom Fernseher abgefilmt und den Ton gleichzeitig mit einem Tonbandgerät aufgenommen", erzählt er, "ich habe alles zu Hause, was Sie sich nur vorstellen können. Ein ganzes Zimmer in unserer Wohnung ist nur für den King reserviert." Seine Frau nickt dazu und setzt sich auf eine Bank. Ihr tut der Meniskus weh. Doch das zählt heute nicht, sie lässt sich immer wieder mitreißen von der Begeisterung ihres Mannes für Elvis Presley. "Der schlackerte mit den Hüften rum und hat die USA dadurch freier gemacht", sagt der.

Zimmer Nummer 10

Natalia Galadzhewa ist extra aus Moskau angereist. Sie ist Journalistin und hat schon sechs Bücher über Elvis geschrieben, momentan arbeitet sie an ihrem siebten. Sie hat einen Elvis-Fanb-Club in Moskau gegründet und mag den Rock-Star nicht nur, sie liebt ihn. "Ohne ihn zu lieben, kann man kein Fan sein", sagt sie, "ich habe Englisch nur gelernt, um Elvis im Original verstehen zu können. So wie manche Russisch lernen, um den Original-Dostojewski lesen zu können." Nur zaghaft posiert sie mit ihrem Kollegen Igor Tsaler neben der Gedenkstehle. Das ist nicht so ihr Ding.

Hotel Grunewald in Bad Nauheim
Hotel Grunewald. Ganz oben war Elvis' ReichBild: DW/Marlies Schaum

Die Stehle steht neben dem Hotel Grunewald, in dem Elvis fünfeinhalb Monate gewohnt hat, während er in Friedberg bei der Army stationiert war. Eine ganze Etage hatte der damals 23jährige Star für sich, seinen Vater, Oma und die Bodyguards gemietet. Zimmer 10 war seins. Und da wohnen seit fast 15 Jahren jedes Jahr zu seinem Todestag zwei Damen aus Potsdam und Berlin. "Das bekommen die beiden immer", sagt Rita Issberner-Haldane, der das Hotel seit 1973 gehört. Fotografieren kann man die beiden Besucherinnen gerade nicht, das Kamerateam war wieder früher da.

Aber Rita Issberner-Haldane hat Zeit für ein Schwätzchen. Stolz führt sie durch die eleganten Räume im Untergeschoss, das Esszimmer und das Wohnzimmer, sogar ein Spiegelzimmer gibt es. Alles von ihr sorgfältig dekoriert, mit Damasttapeten in gold und blau und dem grünen Samstsofa, auf dem auch noch Elvis gesessen hat. Automatisch setzt sich auch Issberner-Haldane darauf, für das Foto. "Das möchten Sie doch bestimmt, oder?", fragt sie liebenswürdig. Sie ist das Medieninteresse gewohnt.

Nächtelang gequatscht

Rita Issberner-Haldane
Ihr reichte ein einziger Augen-Blick mit Elvis: Rita Issberner-Haldane gehört das Hotel seit 1973Bild: DW/Marlies Schaum

Rita Issberner-Haldane kannte den Vorbesitzer des Hotels sehr gut. Einmal hat sie den jungen King hier im Wohnzimmer getroffen. "Wir haben uns einfach nur in die Augen geschaut, ganz lange, keiner hat etwas gesagt, aber das hat gereicht, wunderbar", sagt sie. "Mit Herrn Schmidt, dem Hotelbeseitzer, war das was ganz anders, nächtelang haben die beiden gequatscht." Zum Abschied hat Elvis ihm dann einen kleinen weißen Pudel geschenkt. Sherry hieß der.

Zurück aus der heimeligen Elvis-Wohnstätte auf die Straße. An der Bushaltestelle gegenüber stehen Erhard und Marlene Becker aus Köln. Sie sind zur Kur hier. Jetzt erinnern sie sich, wie sie damals, in Washington D.C., im Fernsehen von Elvis' Tod erfahren haben. "Wir waren echt geschockt", sagt Marlene Becker, "Elvis war für uns die Befreiung nach dem Krieg, da wurden alte Zöpfe abgeschnitten, so etwas wie seine Stimme gibt es heute einfach nicht mehr." Zu den immer mehr werdenden Fans an der Gedenkstele möchte sich sich aber nicht stellen. Das sei etwas zu viel des Guten.

Provinzielle Trägheit

Elvis Gedenkstele bei Nacht
Die Nacht kommt, die Gedenkstehle leuchtet, das Festival beginnt erst richtigBild: DW/Marlies Schaum

Da liegen inzwischen Blumen noch und nöcher, Kerzen bilden Elvis' Namen und aus einem Ghettoblaster klingen Ghospelsongs des King. Mitglieder des Elvis-Presley-Vereins Bad Nauheim-Friedberg halten sich bereit für etwaige Interviews. Auch, wenn sich der Vorsitzende Klaus Ritt über die Erwartungen mancher Journalisten ärgert, das Medieninteresse nützt ihm. Am Vormittag hatte er mal wieder ein Treffen mit dem Bürgermeister und langsam sieht es so aus, als würde die Stadt den Verein jetzt mehr unterstützen, indem sie sich offiziell als "Elvis-Stadt" positioniert. Im kommenden Jahr ist der 30. Todestag des berühmten Bürgers auf Zeit, dann die Landesgartenschau 2010, das alles könnte helfen, mehr Unterstützung zu bekommen. Denn Ritt kann bald nicht mehr. "Hauptberuflich bilde ich Lehrer aus, aber in meiner Freizeit arbeite ich nur noch für den Verein", sagt er, "in den sechs Jahren, in denen ich hier mal Stadtrat war, habe ich weniger gearbeitet als im Verein." Nur mit Ehrenamt gehe das nicht mehr so weiter, er sei müde. Die Stadt verkenne das wirtschaftliche und touristische Potential, das sie als "Elvis-Presely-Stadt" habe, aus "rein provinzieller Trägheit".

Es wird Abend. Im Pub "Green Island" heizt Elvis-Imitator Kay von Kajdacsy den Besuchern ein. An der Stele schaltet das Fernsehteam inzwischen live ins Regionalstudio, auch Philip Marks ist wieder mit dabei. Die Tolle sitzt noch immer.