Platini macht den Unterschied
27. Juni 2009Es ist der entscheidende Moment. Es läuft die 90. Spielminute im Parc des Princes in Paris. Frankreich gegen Spanien. Ein Konter. Jean Tigana spielt auf Bruno Bellone, der schießt – und trifft zum 2:0. Die Entscheidung. Die Stimmen der Radioreporter überschlagen sich: "Frankreich ist Europameister 1984." Die Grand Nation versinkt im Freudentaumel. Bei der 7. Europameisterschaft ist es endlich soweit. Frankreich gewinnt erstmals in seiner Fußball-Historie einen großen Titel.
Mit Glück und Platini
Die Vorrunde dominieren die Franzosen nach Belieben. Das Halbfinale gegen Portugal wird eine Zitterpartie, in der Michel Platini erst in der Verlängerung mit seinem Tor für die Entscheidung sorgt. Eng geht es dann auch im Endspiel gegen Spanien zu. Erst ein Torwartfehler des Spaniers Luis Arconada ermöglicht die 1:0-Führung der Franzosen. Platini schießt einen Freistoß aufs lange Eck, Arconada kann den Ball nicht festhalten – 1:0. Spanien drängt, Frankreich kontert und macht mit dem Schlusspfiff alles klar: Bellone trifft zum 2:0.
Die beste Mannschaft des Turniers hat den Titel geholt. Frankreich kassierte nur vier Gegentore und zauberte in der Offensive – nur im Finale nicht, fand auch Horst Köppel, der damalige Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft. "Die glücklichere Mannschaft hat gewonnen. Das erste Tor war ein klarer Torwartfehler und das zweite ist nur aufgrund des Drängens der Spanier gefallen. Ich glaube, man hat heute wieder gesehen, dass zum Fußball einfach auch Glück gehört, und deshalb hat Frankreich gewonnen."
Deutschland scheitert früh
Co-Trainer Horst Köppel und sein Chef, Bundestrainer Jupp Derwall, konnten sich das Finale in Ruhe anschauen, denn Deutschland, der Vize-Weltmeister und amtierende Europameister, war bereits in der Vorrunde ausgeschieden.
In der Presse ist von einem "Erdrutsch für Europas Fußball" zu lesen. Die Fußballmacht Deutschland spielte keine Rolle, England und Italien hatten sich nicht einmal für die EM qualifiziert. Ein Reporter hält fest: "Die Fußballmusik wird nicht mehr in Italien, England oder Deutschland komponiert. Dänemark, Portugal, Spanien und das melodienerfinderische Frankreich haben sie neu in Töne gesetzt."
Der Beckenbauer Frankreichs
Der große Dirigent der EM 1984 war Michel Platini. Er hat die Nummer 10 in Frankreich bekannt gemacht. Er ist ein Mythos. Der strahlende Held der EM 84. Platini war Spielgestalter und wurde mit neun Treffern Torschützenkönig. Er bestimmte maßgeblich den Ton im "Orchestre bleu". Mitte der 80er Jahre war er für viele der beste Fußballer der Welt. Die Fans verehren ihn bis heute: "Das war ein großartiger Spieler, ein guter Anführer. Dank ihm ist Fußball-Frankreich groß geworden. Platini ist für uns das, was für die Deutschen Franz Beckenbauer ist."
Während Franz Beckenbauer 1990 als Trainer mit Deutschland Weltmeister wurde, schien der französische Erfolg eine Eintagsfliege zu bleiben. Und das, obwohl Frankreichs Trainer Michel Hidalgo nach dem EM-Titel 1984 noch sagte: "Der Gewinn ist für den gesamten französischen Fußball ein großer Erfolg. Jetzt gehen alle in die Ferien, aber dann wird der Aufschwung unseres Fußballs anhalten." Tatsächlich musste Frankreich bis zur WM 1998 – wieder im eigenen Land – warten, um den nächsten großen Titel zu feiern: Dieses Mal wurde Frankreich Weltmeister.
Autor: Benjamin Wüst
Redaktion: Arnulf Boettcher