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Ende der Erweiterungseuphorie

Klaus Dahmann5. Oktober 2004

Die erregte Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei zeigt, wie schnell die Erweiterungs-Euphorie in der Union nach dem Beitritt zehn neuer Länder verflogen ist. Bulgarien und Rumänien beobachten den Umschwung mit Sorge.

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Neue Perspektiven für die Europäische Union

Die Türkei-Debatte kommt viel zu spät - das meint der Koordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, Erhard Busek. Schließlich seien die Weichenstellungen für Beitritts-Verhandlungen längst gelegt. Spätestens seit dem Beschluss des EU-Gipfels Ende 2002 sei klar, dass es um eine vollwertige Mitgliedschaft gehe und nicht nur - wie es die Türkei-Gegner vorschlagen - um eine alternative Form der Zusammenarbeit. "Man kann über die Türkei debattieren", fügt Busek hinzu. "In Wirklichkeit aber ist die Sache schon unter Dach und Fach. Das einzige Problem ist, dass die Staats- und Regierungschefs der EU das in ihren Heimatländern nicht erklärt haben. Und das könnte noch eine Menge Schwierigkeiten verursachen."

Konsolidieren

Schwierigkeiten sieht der deutsche EU-Parlamentarier Elmar Brok, Mitglied der konservativen EVP-Fraktion, ganz woanders. Seiner Meinung nach ist die Europäische Union nach der großen Erweiterung und der zähen Debatte um eine Verfassung an den Grenzen ihrer Kraft angekommen. Jetzt stehe erst einmal "Konsolidierung" auf der Agenda, die EU müsse sich in ihrem Inneren stabilisieren. "Ich möchte nicht, dass die heutige 25-er Union wieder in Länder verschiedener Kategorien zerfällt", sagt Brok. "Sondern dieses Verfassungs-Europa, das wir diesen Sommer hinbekommen haben, sollte auch Bestand haben. Aber es hat nur Bestand, wenn es die innere Handlungsfähigkeit hat. Es nutzt nichts, die EU immer größer werden zu lassen und damit innerlich schwächer werden zu lassen."

Bremsen

Dass es aber bei den im Mai beigetretenen zehn Staaten nicht bleiben wird, ist schon jetzt absehbar: Bulgarien und Rumänien haben ein festes Aufnahme-Versprechen in der Tasche, Zieldatum 2007. Dort kommen Ängste auf, das Argument, die EU müsse sich erst einmal konsolidieren, könnte auch gegen diese Länder gerichtet sein. Elmar Brok wiegelt jedoch ab: "Das kann nicht für Bulgarien und Rumänien gelten, weil da die Verhandlungen schon fast abgeschlossen sind. So dass man hier sehen muss, wenn sie bis 2007 die Bedingungen erfüllen, dass man auch das [Beitritts-Versprechen] erfüllen muss. Aber das zeigt umso mehr, dass wir dabei sind uns zu übernehmen. Und deswegen werden wir hier jetzt mal eine Bremse ziehen müssen."

Prüfen

Spätestens nach Kroatien, so Brok weiter, müsse sich die EU die Frage stellen, ob sie sich überhaupt noch erweitern will. In Sachen Türkei solle man nicht jetzt überhastet Fehler machen, sondern sich Zeit nehmen und in zwei bis drei Jahren schauen, wie weit beide Seiten ihre Hausaufgaben gemacht hätten.

Erwartungen

Auch wenn an der Beitritts-Zusage für Bulgarien und Rumänien nicht mehr gerüttelt werden kann, so hat man dort doch wahrgenommen, dass die Erweiterungs-Euphorie in der EU weitgehend verflogen ist. Maria Ligor vom rumänischen Außenministerium rechnet damit, dass Brüssel bei ihrem Land strenger auf die Erfüllung der Beitritts-Kriterien achten wird, als dies bei den jetzigen Neu-Mitgliedern der Fall war.

Ankündigungen

Für Ligor steht aber fest: Wenn Rumänien erst einmal in der EU ist, wird es sich für die Aufnahme auch der anderen südosteuropäischen Länder einsetzen. Auch gegen einen Beitritt der Türkei habe man in Bukarest keine grundsätzlichen Bedenken, sofern das Land die nötigen Kriterien erfülle. Negative Emotionen - etwa Erinnerungen an das Osmanische Reich - gebe es hier nicht, dafür sei die jetzige Zusammenarbeit zu wichtig.